Jeden Herbst, Anfang Oktober, erinnern sich alle, die das Werk von M. Zwetajewa wertschätzen, an die Verszeilen:
Vogelkirschen leuchteten Wie rote Lämpchen, Laub fiel von Bäumen, Ich bin geboren…
Es ist Tradition, den Geburtstag der Dichterin nicht in Theatern oder Konzertsälen zu feiern, sondern unter Gleichgesinnten im Grünen, am Lagerfeuer und mit der Gitarre.
Foto: Alexandra Omeltschenko
Традиция цветаевских костров, возникшая в России несколько десятилетий назад, в наши дни поддерживается во многих странах мира. В Германии, например, всегда находятся желающие собраться у заветного огня, послушать знакомые стихи, попеть под несложные гитарные аккорды… Это всегда очень сближает и обогащает присутствующих. Поэзия Марины Цветаевой стала неотъемлемой частью всеобщей человеческой культуры. Entstanden ist der Brauch vor Jahrzehnten in der Sowjetunion, wo man lange daran gehindert wurde, die Gedichtbände von Zwetajewa zu kaufen oder ihren Geburtstag öffentlich zu feiern. Heute gehört das der Vergangenheit an; für ihre Gedichte sind keine, weder politische noch zeitliche oder räumliche Grenzen gesetzt. Trotzdem gibt es in Russland und in vielen anderen Ländern zahlreiche Menschen, die sich am ersten Sonntag im Oktober am Lagerfeuer versammeln, um den aus der Kindheit vertrauten Zeilen zu lauschen, oder sie in Begleitung unkomplizierter Gitarrenakkorde zu singen, während sie über das Schicksal von Marina Zwetajewa nachdenken und über die magischen Fäden, die durch Zeit und Raum von ihr zu uns führen. Das Feuer von „Marinas Vogelkirsche“ braucht einen besonderen „Feuermeister“, um in den Herzen entflammen zu können. Das ist immer ein besonders engagierter, kompetenter und kontaktfreudiger Mensch, der nicht nur alle zusammenruft und alles organisiert; seine Aufgabe ist es auch, dieses Feuer aufrechtzuerhalten und zu füttern. Merkwürdigerweise finden sich solche Talente nicht allzu selten. Vor Jahren war es Lilia Zabart-Vogelsang, die sich in Deutschland dieser Aufgabe stellte, und auf dem Berg Tüllingen über dem von Marina leidenschaftlich geliebten Rhein stieg die Flamme des ersten Lagerfeuers zu Ehren von Zwetajewa zum Himmel. Seit vier Jahren geht dieses Licht jedes Jahr auch über der Elbe in Dresden auf (veranstaltet durch das Deutsch - Russische Kulturinstitut). Alle Glieder der Feuerkette, die durch den Namen Marina Zwetajewas verbunden sind, haben hier, in deutschen Landen, etwas gemeinsam, eine besondere Wärme, wie ein herzlicher Gruß aus Russland. Liegt es möglicherweise daran, dass Elena Beleninova , einst Mitarbeiterin des Moskauer Zwetajewa-Museums, stets dabei ist? Hinzu kommt, dass sie es wirklich schafft, eine wundersame poetische Stimmung sowie den Wunsch der Beteiligten, ihre persönlichen Gedanken und Gefühle zu offenbaren, entstehen zu lassen und aufrechtzuerhalten.— Wann und wie ist Marina Zwetajewa ein Teil von Ihrem Leben geworden? — Als ich nach dem Studienabschluss in einem geheimen Forschungsinstitut arbeiten musste, war ich nicht dazu bereit. Rein psychisch nicht. Ich strebte nach Freiheit, Kommunikation, wollte die Welt erleben… Dann hatte ich das Glück, ein erstaunliches Buch zu lesen, das mein Leben auf den Kopf stellte…
Elena Beleninova . Foto: Alexandra Omeltschenko
Elena Beleninova
Das waren die „Memoiren“ von Anastasija Zwetajewa. Dieses Buch offenbarte mir eine neue und zauberhafte Welt, die Welt von Zwetajewa und anderen Menschen ihrer Umgebung, der Blüten der russischen Kultur. Ich entdeckte für mich neue Horizonte, sah andere Beziehungen zwischen den Menschen, fand neue Maßstäbe und durfte neue Emotionen erleben. Anastasija Zwetajewa ließ Bilder ihrer Vergangenheit wiederauferstehen und zitierte aus dem Gedächtnis eine Menge Gedichte, mir bereits bekannte, aber auch ganz neue. Bei mir war es so, wie bei vielen meiner Generation: Zwetajewa kam in mein Leben durch das Buch ihrer Schwester. Es war um mich geschehen. Ich verbrachte Stunden auf den Straßen Moskaus und auf der Suche nach Orten, die mit Zwetajewa zu tun hatten. Ich habe sogar das Haus gefunden, in dem Marina eine Zeit lang mit ihrer Familie wohnte. Und ich las, las ihre Gedichte wieder und wieder. Später wollte ich meine Gedanken und Gefühle mit jemandem teilen. Ich beschloss, Reiseführerin zu werden und mein Leben für immer den geliebten Bildern, historischen Gegebenheiten und Gedichtszeilen zu widmen.— Welche Ereignisse in Ihrem Berufsleben waren Ihrer Meinung nach von besonderer Bedeutung? — Vor allem waren das die Jahre 1981-1991, das Jahrzehnt, während dessen ich als Reiseführerin in Moskau tätig war und mich auf Zwetajewa-Orte spezialisierte. Natürlich, musste ich mich auch gleichzeitig mit anderen interessanten Themen befassen (mit der Dichtung von Pasternak, dem Silbernen Jahrhundert der russischen Dichtung allgemein), aber die Zwetajewa-Fragen waren für mich immer ganz besonders wichtig. Das Buch „Memoiren“ von A. Zwetajewa mit dem Autogramm der Autorin blieb mein Talisman. Es machte mir unheimlich viel Spaß, die im Buch beschriebenen Häuser zu betreten sowie die Höfe von Moskau, wo man die Vergangenheit spürt und wo jeder Gegenstand ein wichtiger Augenzeuge und Bestandteil einer Ära ist. Meine Reiseführungen gestaltete ich als literarische Kompositionen, die möglichst viele Texte beinhalteten. Auf diese Weise konnte ich auch meine eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringen. Ich mag es, Gedichte laut vorzulesen. Man sagt, ich kann es gut, auf meine eigene Weise, wie ich eben fühle und denke. Mit dem Beginn der Perestrojka fing eine neue, schwierige und gleichsam freudige Periode meines Lebens an, mit dem verantwortungsvollen Ziel – Gründung des ersten Museums von Zwetajewa in Moskau. Ich war vom Anfang an dabei und zu meinen Aufgaben gehörten nicht nur die Reiseführungen, sondern auch die Arbeit am Sammeln der Materialien und Ausstellungsexponate. Ich kann mich immer noch gut an viele Teilnehmer meiner Führungen erinnern, z.B. an Raisa Gorbačova. Im Zwetjewa-Museum habe ich bis zur Abreise unserer Familie nach Deutschland gearbeitet. Jetzt, nach sechs Jahren in Deutschland, halte ich die Verbindung mit Russland aufrecht, und wenn ich in Russland bin, mache ich hin und wieder eine Zwetajewa - Führung in Moskau für meine Freunde.— Wie kam es dazu, dass Sie Ihre Arbeit in Deutschland fortführen konnten? — Ich habe einfach nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Russland gesucht. Ich hatte das Glück, mit meinem Projekt in einer Leipziger Integrationsschule aufgenommen zu werden und ich habe bewiesen, dass es sich lohnt. Heute bietet die Schule den Erwachsenen und Kindern aus Russland die Möglichkeit, einen Intensivsprachkurs mit einer interessanten Deutschlandreise zu vereinbaren. Ich habe einen regen Briefwechsel mit russischen Deutschschülern, gewinne für das Projekt neue Teilnehmer; und wenn sie sich in Deutschland aufhalten, veranstalte ich Reiseführungen und zeige unseren Gästen unter anderem die Orte, die für Zwetajewa wichtig waren. Die echten „Zwetajewa“-Orte sind hier, ganz in der Nähe. Das sind die Sächsische Schweiz, Dresden, der Weiße Hirsch. In den „Memoiren“ von Anastasija sind sie nicht weniger ausführlich beschrieben, als das „Moskau der Zwetajewa“.
Es gibt in Deutschland Orte, die die Erinnerung an den Aufenthalt von Marina Zwetajewa liebevoll aufbewahren. In Freiburg gibt es eine Gasse, die den Namen der Dichterin trägt: Marina Zwetajewa Weg; und am Haus, in dem die Schwestern – Zwetajewa 1904 bis 1905 wohnten und lernten (die ehemalige Pension der Schwestern Brink, in der Walstraße 10), ist seit den 1980er Jahren eine Gedenktafel zu sehen. Lilia Zabart-Vogelsang hat im Museum von Basel bisher unbekannte Briefe von M. Zwetajewa gefunden und einen wissenschaftlichen Kommentar dazu verfasst. Darüber hinaus konnte sie viele Informationen über den Aufenthalt der Zwetajewa im Schwarzwald sammeln. Diese Forschungsergebnisse bilden die Grundlage ihres Films „Der märchenhafte Schwarzwald“. 2010 wird in Dresden ein Jubiläum gefeiert: 100 Jahre seit dem Aufenthalt der Familie Zwetajew im Weißen Hirsch. Die Lagerfeuer Zwetajewas brennen heute nicht nur im Schwarzwald am Berg Tüllingen, und in Dresden sondern auch in Ludwigsburg bei Stuttgart und in Leipzig .
Übersetzung: Olga Koseniuk