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Äûì Îòå÷åñòâà

Hier ist Teffi

Àâòîð: Svetlana Voljskaia
Äîáàâëåíî: 2013-08-23 10:30:00

+ - Ðàçìåð øðèôòà

Hier ist Teffi! Das Publikum lacht,
Es will seine Sehnsucht
für einen Augenblick vergessen

(Leonid Mundstein-Lolo)


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Nadežda Lochvickaja (Teffi)
Lochvickaja (Teffi)

Teffi (Nadežda Lochvickaja, 1872—1952) wie viele andere russische Künstler und Literaten: Ivan Bunin und Vera Muromceva, Nina Berberova und Vladislav Chodasevič, Dmitrij Merežkovskij und Zinaida Gippius, Georgij Adamovič und Irina Odoevceva musste am Anfang des 20. Jahrhunderts Russland verlassen.

Russische Emigranten mochten Teffi sehr, sie genoss unter ihnen höchstes Ansehen und war sozial sehr engagiert. Sie nahm an vielen Wohltätigkeitsaktionen teil: sammelte Mittel für die Födor-Šaljapin-Stiftung und für die Gründung der Herzen-Bibliothek in Nizza, schrieb Texte für Gedenkabende ihrer ehemaligen Kollegen: F. Sologub und S. Černyj…

Mit wenigen Ausnahmen sind die Texte dieser Auftritte nicht erhalten worden. Die Erzählungen und satirischen Artikel, die des Öfteren in der Zeitung „Poslednije novosti“ („Die aktuellsten Nachrichten“) publiziert wurden, sind immer noch aktuell. Sie erschienen fast jede Woche und wurden vor den Lesern ungeduldig erwartet. Die Schriftstellerin nahm oft an verschiedenen Komödie-Veranstaltungen teil. „Zusammen mit Averčenko hielt sie ihre humorvolle Vorträge („Wie man sich in der Emigration zu verhalten hat“ u. a.), im „Očag druzej russkoj kultury“ („das Heim der Freunde von russischer Kultur“), im Russischen Club und Turgenev -Gesellschaft. Dort wurden auch ihre Sketche aufgeführt: „Der Karieranfang“ und „Brautwerbung“ und humoristische Erzählungen vorgelesen[1].

Anna Stepanovna

— Ja, ich habe Ihnen Ihr „Blüschen“ mitgebracht. Ich wollte Ihnen ein Rüschchen auf dem Magen vorschlagen, doch, denke, sie werden` s nicht mögen. Ob ich jemals gedacht habe, dass ich Schneiderin werde? Nein, denn mein Leben „floss“ in einem ganz anderen Sinne. Erst die Hebammenkurse, dann Spital. Ja, ich habe nicht wenig Medizin „ausgekostet“. Aber wohin hier damit? Wer braucht sie schon, meine Medizin? Man sieht sogar die Professoren in Zigeunerchoren singen. Dafür kann ich mich mit meiner Nadel immer durchbringen. Zum Beispiel habe ich gestern einer Kundin ein Kleidchen abgegeben – zum Anbeißen. Ein Knopf ist genau auf dem Blinddarm, eine Kante ist auf der linken Niere und der ganze Bauchteil schön gefaltet. Sehr nett. Sehen sie, ihr Blüschen ist auch, wie man sagt, ganz Fantasy. Der Ausschnitt ist nicht allzu tief: nur die Lungenflügel sind betroffen. Dazu kaufen sie sich einen kleinen Hut, der nur ihre grauen Zellen bedeckt. Sehr modisch.

Die Schriftstellerin lachte gern: über sich selbst, über andere, über das Leben. Ihren Freunden gegenüber konnte sie zugeben: „Ich kann jemandem einen Mann ausspannen, aber ein Buch zu nehmen, das nicht mir gehört, - nie!“ Das russische Paris wiederholte ihre Witze: „leben, wie Hunde auf dem Heuhaufen“[2] (über die Russen in Paris). Ein Ausdruck von Teffi ist zum Sprichwort geworden: „faire -to-que?“ aus ihrer Erzählung „Que fair“: der Hauptprotagonist der Erzählung, ein alter General, versucht, sich am Pariser Platz zurecht zu finden, blickt zerstreut umher und brummt: „Das ist alles schön, aber que faire (was soll man denn tun)? Fair to que?[3]

Wie sich Irina Odoevceva erinnert, war Teffi nicht immer mit ihrem Humoristinnenimage glücklich: einmal musste sie einen wissenschaftlichen Vortrag halten. Das Publikum hat sie mit lauten Ovationen begrüßt und verabschiedet. Jedoch wurde das Gesagte kaum verstanden: gewohnheitsgemäß hat man über jedes Wort von Teffi lauthals gelacht. Ihr schlagfertiges Verstand und unkomplizierter Charakter machten sie zur Seele jeder Gesellschaft. Sie konnte auf Anhieb das Eis brechen, einen Konflikt entschärfen und ein geplantes Treffen in eine Feier verwandeln. Neben ihr wurden selbst die langweiligsten und traurigsten Nörgler zu Unterhaltern[4].

Gleichzeitig entging dem scharfen Auge der Schriftstellerin kein so ein kleines Detail des Lebens von Flüchtlingen. Die aktuellsten und brisantesten Begebenheiten wurden in ihren Werken thematisiert. Z.B., in der Erzählung „Syr´ö“ („Rohstoff“) klingt die Autorenstimme nicht nur traurig, sondern tragisch: „lebten wir lebten, schufen, arbeiteten und am Ende ist nur Rohstoff daraus geworden und sogar der ist nicht für uns bestimmt, sondern für andere“.[5] Hier muss man anmerken, das die Emigranten von damals sehr gut gebildet waren und mehrere Fremdsprachen beherrschten (darunter auch Französisch)! Doch nicht einmal diesen Flüchtigen war die Depression erspart geblieben. Teffi beschreibt die Symptome der Krankheit, unter der viele ihrer Landleute litten: „Die Augen verblassen, die Schultern hängen und die Seele, die zum Osten hin gerichtet ist, wird welk. Wir glauben nichts, erwarten nichts, wollen nichts. Wir sind tot. Wir haben uns vor dem bolschewistischen Tod gefürchtet, und erlagen diesem Tode hier“[6].

Es ist bekannt, dass die damaligen russischen Emigranten in Frankreich sich nur sehr langsam anpassten und fast keine Kontakte zu Einheimischen pflegten. Die Franzosen, ihrerseits, wurden von der russischen Kunst begeistert, mieden aber „diese komischen und übermütigen Russen“. „Wir sitzen hier in Frankreich wie ein Fremdkörper, wie ein Bombensplitter, mit dem man, wie es ein Chirurg sagen würde, „leben kann“. Es zwickt zwar ab und zu, aber meistens vergisst man, dass er da ist und das Leben des gesamten Organismus wird kaum dadurch beeinflusst…“[7] - schrieb sie in ihrem „Pis´mo iz-za granicy“ („Ein Brief aus dem Ausland“), in dem sie die Emigranten in Warschau mit denen in Paris verglich.

Teffi verbrachte in der Emigration 32 Jahre und hat alle Probleme, die im Zusammenhang damit stehen, auf eigener Haut gespürt, es ist jedoch ihrem Optimismus zu verdanken, dass die nicht die Nase hängen lies. Finanziell hatte sie hin und wieder große Schwierigkeiten gehabt, aber es gelang ihr nicht nur zu überleben, sondern auch eine der beliebtesten Autorinnen im russischsprachigen Ausland zu werden. Ihre Texte wurden in Paris, Berlin, Belgrad, Stockholm und Prag veröffentlicht. Sogar in der Sowjetunion wurden manche Bücher mit ihren Werken gedruckt, jedoch bekam die Autorin kein Honorar. Außerdem stand es im Vorwort zu sowjetischen Ausgaben, dass die Autorin die russische Emigration und den kapitalistischen Westen entlarvt. „Das rief bei Teffi kategorischen Protest hervor – den Artikel „Vnimaniju vorov“ („Achtung, Ihr Diebe!“) („Vozroždenije“ („Renaissance“), 1928, 1. Juli), in dem sie es öffentlich verbat, ihren Namen in der Sowjetunion zu verwenden. Nachdem hat man sie dort für lange Zeit vergessen“[8].

Vor der Revolution genoss die Schriftstellerin in Russland höchste Popularität. Ihr Schaffen begeisterte alle ausnahmslos: vom Postangestellten bis hin zu dem Zaren Nikolaus II. oder dem Revolutionären Vladimir Lenin. Der Ruhm, den diese Frau genoss, reichte so weit, dass man mit dem Namen „Teffi“ Parfüm- und Pralinenmarken nannte. Nur Nadežda Lochvickaja wurde einigen wenigen Eingeweihten bekannt. Ihr Privatleben ist immer noch von Geheimnissen umhüllt, ihr Werk erlebt jedoch seit den 1990-er-Jahren, seitdem ihre Bücher in Russland wieder gedruckt werden, seine Wiedergeburt.

Teffi wurde in die Familie eines Petersburger Adeligen, des Rechtsanwalts Aleksander Lochvickij hineingeboren. Ihre ältere Schwester Marija ist für die Kultur- und Literaturgeschichte Russlands eine sehr bedeutende Größe, sie wurde unter dem Namen Mirra Lochvickaja als Dichterin bekannt. Man bezeichnete sie als „die russische Sappho“. Der Anfang des Wirkens von Nadežda steht auch im Zeichen der Dichtung. Die ersten Gedichte Teffis wurden 1901 in der Zeitschrift „Sever“ („Der Norden“), Nummer 51 veröffentlicht: „Mne snilsja son, bezumnyj i prekrasnyj“ („Ich hatte einen Nachttraum, den irren und schönen). Sie erinnert sich scherzhaft daran: „Als ich zum ersten Mal mein Werk gedruckt sah, war es mir peinlich und unangenehm. Ich habe gehofft, es würde keiner lesen“. Sie dichtete auch lustige, schelmische Lieder, komponierte Musik dazu und sang sie mit Gitarrenbegleitung:


Mein schwarzer Zwerg, der küsste meine Füßchen
Und war so zärtlich-liebevoll zu mir!
Meine Armbänder, Ringe und auch Broschen
Räumte er weg und schloss in einer Truhe ab,

Doch eines schwarzen Tages der Trauer und Sorge
Wuchs mir mein Zwerg ganz plötzlich an:
Vergebens küsste ich ihm seine Füße -
Verlies er mich und nahm die Truhe mit


Viele ihrer Lieder haben einen Weg ins Variete gefunden, z.B. wurde der „“Karlik“ („Zwerg“) von einem bekannten Sänger Aleksander Vertinskij gesungen. Deswegen sind diese Zeilen jedem Russen bekannt, auch demjenigen, der noch nie von Teffi gehört hatte. Eine Vorliebe für Reim und Gitarre behielt Teffi ihr Leben lang, jedoch fand sie, dass zwei Dichterinnen in der Familie zu viel des Guten sind und wand sich der Prosa zu. Noch mehr, sie machte diese Beschäftigung zu ihrem Beruf, was damals ganz ungewöhnlich und gar unpassend für eine Frau ihrer gesellschaftlichen Stellung war.

In ihren autobiographischen Werken berichtete Teffi sehr gern von Erfahrungen und Verliebtheiten ihrer Kindheit und Jugend, jedoch verriet sie nie etwas von ihrem aktuellen Privatleben. Es ist bekannt, dass Nadežda Lochvickaja als junge Frau einen attraktiven Polen Vladislav Bučinskij heiratete, der nach seinem Jurastudium als Richter in Tichwin angestellt war. Bald nach der Geburt des ersten Kindes im Jahre 1892 gab der Ehemann seinen Beruf auf und die Familie lies sich auf seinem Landgut bei Mogilöv nieder. Später erblickten noch ein Sohn und eine Tochter das Licht der Welt. 1990 entschied sich Teffi ihre Familie zu verlassen, überlies ihrem Ehemann und einer Hauslehrerin sämtliche Sorgen um die Kinder, ging nach Petersburg und widmete sich ihrem Schriftsteller-Beruf, der alles anderes als ein leicht und wie man damals sagte, nichts für eine Frau war.

Die Geschichte der Herkunft des ungewöhnlichen und lustigen Künstlernamens von Natalja Lochvitskaja ist immer noch nicht geklärt. Überliefert ist, dass Teffi ihn vom Namen eines Butlers der Familie, Stepan (Steffi) ableitete, aber auch, dass er, ihrer Meinung nach, mit einem Gedicht von Kipling im Zusammenhang stehe[9].


«Taffy was a Walshman,
Taffy was a thief»[10].


Zum ersten Mal unterschrieb die Schriftstellerin ihr Theaterstück „Ženskij vopros“ („Die Frauenfrage“) mit dem Namen „Teffi“ im Jahre 1907. Das Stück handelt vom aktuellen Problem der Gleichberechtigung der Frauen und kommt zum Ergebnis, dass der Platz einer Frau doch am Herd und bei den Kindern ist, während es die Aufgabe eines Mannes ist, die Familie zu versorgen und zu beschützen. „Ein neues Leben kann man von der neuen Menschheit erwarten, doch solange die Menschen unverändert bleiben, bleibt alles beim Alten“[11]. – spricht die Autorin aus dem Munde der Protagonistin. Nicht desto trotz schlug sie zu diesem Zeitpunkt bereits einen anderen Weg ein.

Ihre Erzählungen und Feuilletons wurden regelmäßig von vielen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt. Eine Zeit lang arbeitete Teffi mit dem „König des Humors“, A. Averčenko zusammen in der Redaktion von der Zeitschrift „Satirikon“. Die Beiden haben 1910 eine Parodie erschaffen.

„Vseobščaja istorija“ („Die Weltgeschichte“)[12]

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Hier wird eine Stelle aus dem Buch „Der Osten. Ägypten“ aufgeführt:
„Ägypten befindet sich in Afrika und ist in der Antike durch seine Pyramiden, Sphinxen, Hochwasser am Nil und die Königen Kleopatra berühmt geworden… Die Pyramiden sind in ihrem Wesen pyramidenförmige Gebäude, die von den Pharaonen in Auftrag gegeben wurden, mit dem Ziel diese lob zu preisen. Die Pharaonen waren sehr fürsorglich und vertrauten ihre sterblichen Überreste niemandem an, nicht mal den Verwandten. Und, gleich nachdem ein Pharao aus dem Babyalter raus war, sah er sich nach einem ruhigen Ort um und begann eine Pyramide für seine künftigen Gebeine zu errichten“.


Nach dem Tod wurden die Eingeweide eines Pharaos in einer pompösen Zeremonie heraus genommen und der Leichnam mit Aromen voll gestopft. Er wurde in einem Etui eingesperrt und in einem Sarg in die Pyramide gestellt. Mit der Zeit trocknete die kleine Menge an Pharao, die noch zwischen den Aromen und dem Etui übrig war, aus und wurde zu einem festen Häutchen. So verschwenderisch gingen damals die Monarchen mit den Volksgeldern um!

Als Gläubige waren die Ägypter nicht besonders wählerisch. Ihre Gottheiten waren die Sonne, eine Kuh, der Nil, ein Vogel, ein Hund, der Mond, eine Katze, Wind, ein Nilpferd, eine Schlange, die Erde, eine Maus, ein Krokodil und viele weitere Haus- und Wildtiere. Aufgrund des übermäßig großen Anteils an Gottheiten musste sogar der aufmerksamste und frömmste Ägypter jede Minute eine Gotteslästerung begehen. Mal tritt er einer Katze auf den Schwanz, mal schreit einen heiligen Hund an, mal verspeist im Borsch[1] eine heilige Fliege. Es nervte das Volk dermaßen, dass es schließlich ausstarb…“.


[1]  Rus. und ukr. Rote-Bete-Suppe



Aber die richtigen „Hits“ waren damals die Erzählungen. In der berühmten Kurzerzählung „Žizn´ i vorotnik“ („Das Leben und der Kragen“) geht es um einen unverschämten Spitzenkragen, dem es gelingt, das Leben einer bescheidenen jungen Dame, Olečka Rozovaja auf den Kopf zu stellen. Oder man denke an die unsterbliche Figur des Malers aus der gleichnamigen Erzählung und an die berühmte Klassifizierung der Dummen („die Dummen“)…

Die Lieblingsprotagonisten der Schriftstellerin sind „kleine Menschen“, die von ihren Lebensumständen erdrückt sind aber den eitlen Wunsch zur Eigendarstellung nicht aufgaben: „Ich bin ein freier Mensch! Wenn ich will, lasse ich morgen alles stehen und liegen und gehe betteln“ – erklärt die Heldin der Erzählung „Utkonos“(„Schnabeltier“).

Das erste Buch von Teffi „Jumorističeskije rasskazy“(„Humoristische Erzählungen“) wurde 1910 veröffentlicht und insgesamt zehn Mal neu aufgelegt. Im selben Jahr erschien auch das Buch Nummer 2: „Čelovekoobraznyje“ („Menschenaffen“). Danach folgten „Dym bez ognja“ („Rauch ohne Feuer“), „Karusel“ („Karussell“), „I stalo tak“ („Und so geschah es“). In Theatern wurden ihre Stücke gern aufgeführt. Das Theaterstück „Korol´Dagober“ („Der König Dagober“) hatte großen Erfolg. 1916 wurde „Šarmanka satany“ („Satans Leierkasten“) im Kleinen Theater in Moskau auf die Bühne gebracht.

Die Februarrevolution 1917 löste bei Teffi, wie bei vielen Vertretern der russischen Intelligenz Begeisterung aus. Die darauffolgenden Ereignisse in der Politik sorgten bei der Schriftstellerin jedoch für den Schwund vom Optimismus der Schriftstellerin.

Die erste Quelle, die das bezeugt, ist die Reportage „Nemnožko o Lenine“ („Kurz über Lenin“), die in der Zeitung „Russkoje slovo“ („Das russische Wort“) gedruckt wurde. Ihren Helden, der aus Deutschland im „legendären versiegelten Waggon“ einreist, um in Russland das bolschewistische Gedankengut zu verbreiten, nennt die Autorin ironisch „Die Schwiegermutter der russischen Revolution“. Sie selbst hat mit solchen Ideen nichts am Hut, genauso wie mit kleinen Strittigkeiten innerhalb der Partei, mit den Gesprächen, die sich um Parteitage und Resolutionen drehen. Mit ihrer spitzen Feder hielt sie die Aberwitzigkeit der Geschehnisse fest: „Wenn Lenin von einer Tagung sprechen wird, auf der er, Zinovjev, Kamenev und fünf Pferde anwesend waren, wird er sagen: - Wir waren zu acht“[13].

Am Ende 1918 nimmt das Leben von Teffi eine unerwartete Wende. Sie nimmt die Einladung des Entrepreneurs aus Odessa Gus´kin an, in Begleitung von A. Averčenko nach Süden Russlands zu fahren, um dort mit ihm zusammen Konzerte zu geben. Damals dachten viele, dass die schwierigen Tage der Revolution sich besser im satten Kiev als im hungrigen Zentrum durchstehen lassen. Doch war es auch in Kiev mit dem ruhigen Leben schnell vorbei, die Stadt wurde abwechselnd von Bolschewiken und von den Streitkräften der Opposition unter Symon Petlura beherrscht. Willkürlich wurden Menschen festgenommen und erschossen. Man musste Kiev verlassen. Weiter folgten Stationen der Flucht: Odessa, Novorossijsk, Ekaterinodar und endlich Paris, das Lochvickaja über Konstantinopel nur mühevoll erreichen konnte.

In ihren Memoiren (1931), die viel von einer autobiographischer Erzählung haben, beschreibt Teffi ihre Reisen und betont, dass sie die Hoffnung, eines Tages nach Moskau zurück zu kommen, nie aufgab. Jedoch konnte sie die Oktoberrevolution nicht gutheißen. Bereits 1919 schreibt Teffi in Odessa die Erzählung „Na skale Gergesinskoj“ („Am Fels von Gadara“), wo sie deutlich zum Ausdruck bringt, dass sie „eine Welt, in der es keine Religion, kein Gesetz und keine Sitten, nicht mal Gefängnis- oder Zwangsarbeitlagersitten“ herrschen und alle Menschen in „Hebel, Riemen, Schrauben, Räder und Antriebe einer Riesenmaschine verwandelt worden sind“, nicht akzeptieren kann.“[14]

Die verblüffende Aufrichtigkeit und die durchdringende Gefühlskraft der „Memoiren“ lässt einen Vergleich mit Gorkijs „Unzeitgemäßen Gedanken“ und „Verfluchten Tagen“ von I. Bunin zu. Doch hat ihr Buch etwas ganz Eizigartiges, Besonderes an sich: das ist die Sichtsweise einer Frau auf die Tragik der Ereignise dieser Tage. Bei ganzem Chaos und trotz der Eile schafft es die Autorin, die unverwechselbaren Persönlichkeiten und Charaktere festzuhalten, darunter die rührend-femininen. Frauen mit ihrer Lebenslust und dem ewigen Streben nach Schönheit haben es geschafft, die schrecklichsten Minuten in ihrem Leben durchzustehen. Die Autorin bewundert sie und lacht sie gleichzeitig aus, auf eine liebevolle Art un Weise.[15]

Der Humor von Teffi verbindet sich mit Ironie und Selbstironie. Sich selbst lacht sie ebenfalls aus, sie macht sich über die eigene Naivität und Hilflosigkeit im Bewältigen des Alltags lüstig, doch hin und wieder bekommt ihre Stimme eine aufgeregt-lyrische Intonation. So spricht ie z.B. vom Seehundpelzmantel einem unentbehrlichen Zubehör einer Dame in Exil. Darauf schlief man in Gefängnissen und Güterwagen, ihn benutzte man anstelle einer Decke oder sogar eines Regenschirms. Sogar vom Wassertod konnte der Seehundpelzmantel bewahren. „Eine bewundertswerte Sache ist dieser Seehund: er kann so viel ertragen, dass nicht jedes Pferd mit ihm mithalten kann.“ „Das liebe, zärtliche Tier, Komfort und Schuzt der schweren Tagen, die Flagge des weiblichen Flüchtlingschicksals!“[16]

Von den „verfluchten“ Revolutionstagen schrieb Teffi auch in Paris, wo sie zum Silvester 1920 eintraf. Besonders innig klingt ihre Erzählung dieser Periode „Subtile Briefe“. Hier geht es um seltsame Briefe, die in den ersten sowjetischen Jahren zu Verwandten in den Westen verschickt wurden: „Bei uns ist alles OK. Anuta starb am übermäßigen Appetit. .. Seit vier Monaten ist Peter Ivanovitsch sehr verschlossen. Mischa Petrov war nur zwei 2 Tage verschlossen, dann kam es durch unvorsichtigen Umgang mit einer Waffe zu einem Unfall. Er stand ganz zufällig davor… Alle freuen sich tierisch“[17].

Was für Mittel nicht alle ausprobiert wurden, um von Kindern, Verwandten oder Bekannten, die im schrecklichen Wirbel des Bürgerkriegs untergingen eine Nachricht durch die Eisenmauer der Revolution zu bekommen! Einer der Möglichkeiten waren Briefe, in denen man verchlüselte Äsop-Sprache verwendete, um den Feind zu überlisten. Brillant verschärft die Schrifstellerin die Komik der Situation, doch hinter jedem Wort steckt Schmerz und Sorge. Manche Familienmitglieder Teffis haben es geschafft, sich eine Existenz im Ausland aufzubauen. Beide Töchter fanden sich „fast nebenan“: die älteste, Valentina, arbeitete in London, die jüngste, Elena, Theaterschauspielerin, lebte in Warschau.

Nachdem Teffi das Erlebte verdaute, eröffnete sie ihren Literatursalon. Im Ausland wurde sie schnell nicht weniger beliebt, als in Russland. Eine Zeit lang war sie glücklich mit Pavel Tikston liiert. Dieser Mann (Halbrusse halb Englander) war Sohn eines Industriellen (ihm gehörte eine Fabrik bei Kaluga); nach der Machtübernahme durch Bolschewiken verlies er Russland und konnte einen Teil seines Besitzes retten. Doch war offensichtlich das größte seiner Reichtümer seine Herzenwärme, die im Exil so viel Wert ist.

Dann kamen neue Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Finazkrise, die die Emigrantenfamilie heimsuchte, standen. Besonders Teffi machte die Situation schwer zu schaffen: ein enger Freund von ihr, der die Tatsache, dass er Pleite gegangen ist, nicht akzeptieren konnte, erkrankte schwer und starb. Der Verlust eines geliebten Menschen brachte nicht nur seelische Schwerzen, sondern stürzte Teffi in die Armut. Die literarische Arbeit brachte fast kein Geld, so dass die Schriftstellerin über einen Berufwechsel nachdachte: „Mit der Nadel kann ich mich immer durchbringen“…

Eine Schneiderin ist sie nicht geworden, aber den Literatursalon musste sie dichtmachen. Wer weiß, wie sich ihr Leben weiter gestalten konnte, wenn es nicht die zalhmäßigen Freunde gab, die die berühmte Schriftstellerin finanziel unterstützten. Bekannt ist, dass Andrej Sedych für Teffi eine Rente besorgte, die vom amerikanischen Millionären und Philantropen S. Atran gezahlt wurde. Als 1943 es im russischsprachigen Amerika die Gerüchte vom vermeindlichen Tod von Teffi kursierten, veröffentlichte der Dichter Amari (M. Zeitlin) einen Nekrolog in der Neu-Jorker „Neuen Zeitschrift“: „Die Legende von Teffi wie von der geistreichsten Frau unserer

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Das Grab Teffi auf dem Friedhof in Paris Wikipedia.org
Das Grab Teffi

Zeit wird weiterhin leben“. Teffi schrieb daraufhin im Brief an ihre Tochter: „Ich bin gerade vom Friedhof zurück, wo ich nicht als Verstorbene gewesen bin, sondern besuchte Pavel Tikston“[18].

A. Sedych in seinen Memoiren („N.A. Teffi in Briefen“[19]) verewigte Teffi in ihren letzten Lebensjahren. Bekannt ist, dass sie ihr Alter nie preisgab und als sie im Ausland neue Dokumente bekam, verjüngte sie sich um 15 Jahre. Sie blieb in Wirklichkeit bis ins heue Alter schön, scharfinnig und mondän. Sie kämpfte gegen Krankheiten an, besuchte ab und zu Emograntenabende und arbeitete viel: sie schieb an ihrem Buch „Alles über die Liebe“, an ihren Memoiren von Zeitgenossen (D. Mereschkovki, Z. Gippius, F. Sologub u.a.), ihre Beiträge wurden in „Das neue russissche Wort“ und „russische Nachrichten“ veröffentlicht.

Sie lebte einsam in einer kleinen Wohnung in der Rue Boissière 59, in Paris, umgeben von Büchern. Ihr Gesundheitszustand vercshlechterte sich allmählich. Am 10. August 1950 schrieb sie an aus einer Pansion zwischen Paris und Fontainebleau M.N. Wereschagina: „Das Häuschen ist entzückend, entlegen, fein geschmückt. Das Essen ist lecker und im Überfluss. Der Wald ist gerade über die Straße… Alle sind nett zu mir. Mit einem Wort, alles ist ausgezeichnet… außer mir und dem Wetter“[20].

Ihre letzte Geburttagsfeier beging Teffi am 30. September 1952. In einer Woche verstarb sie. Vor ein paar Stunden vor ihrem Tod wollte sie Spiegel und Puder haben.[21]

Heute bekommt der Werk von N. Lochwitskaia ihren verdienten Platz in der russischen Literatur wieder und viele moderne Literaturkritiker loben ihren wundebaren Stil und betonen, dass mit ihrer Aufmerksamkeit, die dem russischen Alltag und dem „kleinen Menschen“ gilt, setzt sie die Traditionen der russischen Klassik fort. Jedoch darf man nicht außer Acht lassen, dass Teffi viele Jahre fern von Russland verbrachte und sich die Subkultur, die man im russischen Ausland vorfindet, aneignete. Dort existierte eine andere Literatur, von verschiedensten literarischen Strömungen und natürlich von den kulturellen Besonderheiten des Landes geprägt war.

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Kurz vor ihrem Tod bestimmte Teffi die Ursptünge ihres Werks: „Ich gehöre der Čechovs Schule an und halte Guy de Maupassant für mein Ideal…“ An einer weiteren telle desselben Textes macht sie dem Dichter Nikolaj Gumiljev und seiner Dichtung des Akmeismus eine Liebeserklärung[22]. Möglich ist, dass die außergewöhnliche Raffiniertheit ihrer Werke durch diesen Einfluss zu erklären ist.

Das Werk von Teffi erreichte erneuert und bereichert ihr Heimatland. Besonders deutlich stellt man die Veränderungen am Beipsiel der Kurzerzählung von Teffi statt, im Vergleich zu der Periode vor der Oktoberrevoluiton. Sie beinhaltet jetzt nicht nur den funkelnden Humor eines jungen Čechov und das „Lachen unter Tränen“ eines Gogol, sondern auch die malerische Sprache eines Maupassant und die Auserlesenheit der Moderne in Russland und Ausland.

Heute werden Teffis Bücher zahlreich in Russland gedruckt. Auch der kleine Sammelband, der 2006 vom petersburger Verlag „Asbuka-Klassika“ veröffentlich wurde, ging in diesem Meer nicht unter. Dort sind die bedeutesten Werke der Schriftstellerin versammelt:
Ein Teil ihrer Memoiren („Die Memoiren“ aus dem Jahre 1931) und Erzählungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten enttanden sind und das facettenreiche Talent von Teffi ins rechte Licht rücken. Darunter auch die Erzählung „Subtile Briefe“, nach der der Sammelband benannt ist. Es ist sehr lustig und zugleich traurig diesen Text zu lesen… Eine Besonderheit, die für diese Autorin sehr charakteritich ist.

Außerdem muss man betonen, dass die Schriftstellerin während allen sech Jahrzehnten ihres literarischen Schaffens stets aufrichtig zu ihren Leser war und keinen Kläger- oder Lehreranpruch hatte. Doch stürzten ihre Urteile keinen in die Verzweifelung. Nach der Meinung von I. Odoevceva, „Teffi war auch privat humorvoll und lustig, war unter den Humoristen selten vorkommt. Es schien, dass sie in allen, sogar tragischen Ereignissen vor allem die in ihnen verborgene Komik wahrnahm. Sie schenkte keine Beachtung der düsteren Stimmung der Mitmenschen und freute sich, wenn ihre Bemerkungen Lachen hervorriefen“.[23] Darin besteht offenichtlich die unverwechelbare Eigenartigkeit ihres Stils und die unverwelckliche Anmut der Zauber ihrer „Subtilen Briefen“.


Übersetzung: Olga Koseniuk



  [1]  Spiridonova, L. „Protivlenije zlu smechom. N. Teffi“ („Sich mit dem Lachen dem Übel widersetzen“. N. Teffi). www.erudition.ru

  [2]  „Heuhaufen“ klingt auf Russisch ähnlich wie der Fluss Seine in Paris, gleichzeitig ist es eine Anspielung auf das Theaterstück von Lope de Vega „Liebe aus Neid oder Des Gärtners Hund“ („El perro del hortelano“)

  [3]  „to“ ist eine russische Partikel, analog dem Deutschen „denn“

  [4]  Odoevceva, I. „Na beregach seny“ („Auf Seines Ufer“); „Azbuka-Klassika“, 2006, S. 67.

  [5]  Teffi. „Rys`“ (Der Luchs). Berlin, 1923. S. 12.

  [6]  Ebd., S. 32.

  [7]  Ebd.

  [8]  Spiridonova, L. „Protivlenije zlu smechom. N. Teffi“ („Sich mit dem Lachen dem Übel widersetzen. N. Teffi“). www.erudition.ru

  [9]  qrz.ru, angesehen am 25.05.2011

[10]  Neckreim in der engl., Folklore, datiert mit 12. Jahrhundert, gegen Wales-Einwohner gerichtet. Opie, I., Opie, P. The Oxford Dictionary of Nursery Rhymes. Oxford University Press, 1997, S. 400 f.

[11]  Onlinebibliothek az.lib.ru

[12]  Onlinebibliothek fictionbook.ru

[13]  Teffi, N. „Nemnožko o Lenine“ („Kurz über Lenin“): www.litmir.net

[14]  „Der kommende Tag“. Odessa. 1919, ¹ 1. Ñ. 32 — 34.

[15]  Die franzöische Schriftstellerin Banine schrieb über ihre russischen Kollegin: „Teffi fühlte sehr tief die Tragik des Lebens, doch kommt diese Tragik selten in ihren Werken zum Ausdruck, deren Sprache schlicht, klar und vom Humor beherrscht ist, von einem Humor, der in der Frauenliteratur beispiellos ist, nicht nur in Russland, sondern, ich denke, in der ganzen Welt“: „Russkaja mysl`“, 1952, der 28. November.

[16]  Teffi. Subtile Briefe. S. 137 f.

[17]  Ebd. S. 48 f.

[18]  Evgrafov, E. Das Leben und der Witz von Nadeschda Teffi: www.ng.ru

[19]  „Die Luftwege“. Jahrbuch III., 1963, New-Jork. S. 191 — 213.

[20]  L. Spiridonova. Sich dem Übel mit dem Lachen widersetzen. N. Teffi. www.erudition.ru

[21]  Ebd.

[22]  „Die russische Idee“, 1952, 15. Oktober

[23]  I. Odoevceva. Auf der Seines Ufer „Asbuka-Klassika“, 2006, S. 110




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