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Читающий Лейпциг

Iwan Zwetajew und Georg Treu

Автор: Elizaweta Tumim
Добавлено: 2013-09-16 19:08:25

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2006 erschien ein deutsch-russisches Buch „In Moskau ein kleines Albertinum erbauen“ oder „Устроить в Москве маленький Альбертинум“. Briefwechsel zwischen Iwan Zwetajew und Georg Treu (1881-1913), das viel über die facettenreichen Varianten der russisch-deutschen Zusammenarbeit verrät.

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Das vierhundert Seiten schwere Buch mit blauem Einband und dem zweisprachigen Titel „In Moskau ein kleines Albertinum erbauen“ - „Устроить в Москве маленький Альбертинум“ ist das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit russischer und deutscher Wissenschaftler: Insgesamt sind sechs Namen aufgelistet. Initiator und treibende Kraft der Ausgabe ist der Slawist Erhard Hexelschneider[1].

Der Wissenschaftler hat sich über Jahre mit den Dokumenten, die sich auf den Aufenthalt von Marina Zwetajewa in Deutschland beziehen, befasst, auch mit den Briefen des Familienarchivs der Zwetajews in Dresden. Dabei stieß er in vielen Briefen auf den Namen „Freu“. Professor Hexelschneider war bekannt, dass Iwan Wladimirowitsch Zwetajew als angesehener Spezialist im Bereich der Antike galt und in Moskau eine Sammlung von Gipsabgüssen antiker Skulpturen gegründet hatte (später das Staatliche Alexander Puschkin - Museum der bildenden Künste).

Hexelschneider vermutete, dass mit „Freu“ Georg Treu gemeint sein könnte, der damalige Leiter der bedeutendsten europäischen Sammlungen antiker Gipsabgüsse, des Albertinums. Das hat sich später bestätigt: Im Dresdner Stadtarchiv fanden sich Briefe von Iwan Zwetajew an Georg Treu. Die Briefe wurden in der russischen Sprache verfasst. Der in St. Petersburg geborene Georg Treu verstand Russisch. Auf die Briefe Zwetajews antwortete er seinerseits in Deutsch. Diese Briefe wiederum wurden in Museumsarchiven in Moskau gefunden.

Materialien, die von russisch-deutscher Zusammenarbeit im Bereich der Kultur zeugen, zu sammeln, zusammenzufassen und der breiten Leserschaft zugänglich zu machen, war für Herrn Hexelschneider sehr verlockend. Viele Aufgaben hieß es zu bewältigen, nicht nur rein wissenschaftliche (die Briefstücke zu analysieren, systematisieren und kommentieren), sondern auch eine Menge technische. Man brauchte die Unterstützung der Kollegen aus Moskau, die für das Projekt erst gewonnen werden mussten, und die Hilfe von Sponsoren. Letztere kam von der amerikanischen Stiftung J.P. Getty, die das Projekt „Deutsch-russische Verbindungen seit dem 17. Jahrhundert“ finanzierte.

Hexelschneider übersetzte die Briefe Zwetajews ins Deutsche und verfasste gemeinsam mit Kordelia Knoll, einer Kollegin aus Dresden, das ausführliche Vorwort und die Kommentare zu vielen Briefen. Analog gingen die russischen Kunsthistoriker, Mitarbeiter des Staatlichen Museums der bildenden Künste, vor. Zweisprachigkeit ist eines der Markenzeichen des Buches. Die Vorworte und Kommentare zum Briefwechsel sind konsequent zweisprachig gehalten. Links an der Seite ist das Original abgedruckt, rechts die Übersetzung.

Der rege Briefwechsel zwischen Zwetajew und Treu dauerte mit Unterbrechungen 32 Jahre bis zum Tod Zwetajews 1913. Er zählt über 100 Schriftstücke. Aus dem Text wird ersichtlich, dass manche Briefe verloren gingen bzw. bislang nicht gefunden wurden. Der Leser kann sich fragen, warum für ihn, der kein Spezialist im Bereich der Antike und Museumsbranche ist, ein Briefwechsel zweier Gelehrten interessant sein sollte. In der Tat sind die ersten Briefe rein geschäftlich, kurz, überfrachtet mit offiziellen Anreden und Verabschiedungen. Hinzu kommt, dass sich Zwetajew nicht frei in der deutschen Sprache bewegen kann. Mit der Zeit aber verändert sich der Charakter des Briefwechsels. Die Briefpartner gewinnen immer mehr an Individualität, werden Menschen „aus Fleisch und Blut“ mit Charaktereigenschaften, Gewohnheiten und Temperamenten.

Als Zwetajew erfährt, dass Treu Russisch versteht, spricht er ihn mit Namen und Vatersnamen an, seine Briefe bekommen eine herzliche Note. Für Treu aber bleibt Zwetajew für immer der „Werte Kollege“. Die Briefe werden immer vertrauter; die Wissenschaftler treffen sich mehrmals persönlich, auch im familiären Kreise. Zwetajew schickte seinen Sohn Andrej und die Töchter Asja und Marina in den Sommerferien nach Dresden und bittet „den teuren Jegor Jegorowitsch“ um Hilfe. Treu und seine Gattin besorgen eine passende Unterkunft und Lehrer für die Kinder.

Nachdem Zwetajew 1893 das Museum der antiken Abgüsse in Dresden, das Albertinum, besichtigt hatte, beschließt er, ein analoges Museum in Moskau zu eröffnen. In diesem Zusammenhang gewinnt der Briefwechsel an Lebhaftigkeit. Zwetajew war normalerweise derjenige, der fragte, Treu antwortete, gab Ratschläge, teilte mit ihm seine Erfahrungen. Alles wurde diskutiert: Welche Werkstätten sollen mit der Herstellung der Gipsabgüsse beauftragt werden, nach welchem Projekt soll gebaut werden, wie groß werden die Säle sein, wie eingerichtet, wie baut man die Ausstellung am besten aus? Es ist nie passiert, dass Treu eine Frage unbeantwortet lies oder Zwetajew auf die Antwort warten lassen musste. Treus Briefe waren immer präzise, kurz und inhaltsreich. Er und seine Mitarbeiter erfüllten Dutzende Aufträge Zwetajews, der seinerseits stets dafür sorgte, dass jede Rechnung rechtzeitig beglichen wurde. Später schrieb er voller Stolz, dass er es zum Glück geschafft hat, das Museum ohne einen einzigen Rubel Schulden auf die Beine zu stellen.

Das Museum in Moskau wurde zunächst zu dessen Ehren nach dem Zaren Alexander III. benannt. Die Sammlung bezahlten Mäzene. Jeder von ihnen musste überzeugt werden, jeder erwartete Dankbarkeit. In den Briefen Zwetajews findet man die Bestätigung der alten Weisheit, dass Initiative bestraft wird. Zuerst muss man Gelder finden und im Voraus Kosten planen. Außerdem hat man reichlich Stress mit Architekten, die Exponate müssen besorgt werden und, was am anstrengendsten ist, man muss im Kampf gegen die alltägliche Routine des Haushalts bestehen. Deswegen kann man sich leicht die Gefühle Zwetajews vorstellen, als einer der gefeuerten Hausmeister den mit Exponaten voll gestellten Speicher niederbrannte: „...die Dinge, die ich innerhalb von 15 Jahren mühsam gesammelt habe, wofür ich bei den Reichen Moskaus Klinken putzen musste, alles ist verloren gegangen! Jetzt muss ich wieder von vorne anfangen und die Zeiten haben sich inzwischen geändert…“. Die Zeilen stammen aus einem Brief, der vom März 1905 datiert ist, als der Russisch-Japanische Krieg gerade zu Ende ging und die Zeit der Revolutionen bevorstand.

Der Wirbel der politischen Ereignisse bricht über das akademische Leben der Wissenschaftler herein. Außerdem mussten sich beide Sorgen um ihre Verwandte machen und verloren die ihnen besonders nahe stehenden Menschen. Zuerst verstarb die Ehefrau von Zwetajew, dann musste Treu seine Tochter zu Grabe tragen. Sich gegenseitig Beileid aussprechend, sagten sie sich, dass die Arbeit das Einzige ist, was ihnen Trost spenden kann, die Arbeit war für die beiden das Ziel und der Sinn des Lebens. In einem der letzten Briefe vom 4. Juni 1912 beschreibt Zwetajew die prachtvolle Feier aus Anlass der Museumseröffnung, zu der sogar die Zarenfamilie gekommen war. Mit dem ihm eigenen Humor berichtet er von seiner Beförderung zum Senator und den in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten. Schon im nächsten Satz ruft er aus, dass es sein Traum ist, die wissenschaftlich-populäre Beschreibung mancher Teile der Ausstellung noch vollenden zu können… dann kann man die ewige Ruhe finden…“ Als hätte er es herbeigerufen! Ein Jahr später starb Iwan Zwetajew. Sein Hauptwerk war vollendet, genauso wie sein Leben. Er war 66 Jahre alt.
„In tiefer Trauer um meinen alten Freund, einen vornehmen, selbstlosen Mann. Das Museum Alexander III. bleibt das Denkmal seines Ruhmes. Treu“ - Dieses Telegramm wurde an die Adresse des Moskauer Museums versandt. Einige Tage später erschien im „Dresdner Anzeiger“ ein Nekrolog mit Treus Unterschrift. Treu schickte die Kopie des Telegramms ebenfalls an das Museum, mit der Hoffnung, dass ihn die Museumsleitung an die Kinder von Zwetajew weitergibt.

In den Briefen spiegelt sich nicht nur das berufliche und private Leben der Wissenschaftler wieder. Sie sind Mosaiksteinchen im farbenreichen Panorama des Lebens der russischen und deutschen Intelligenz Ende des 19. - Anfang des 20. Jahrhunderts. Neben den Autoren und deren Familien werden in den Briefen Museumsmitarbeiter, Architekten, Bildhauer und Mäzene erwähnt. Die ausführlichen Kommentare machen den Leser mit diesen Persönlichkeiten bekannt und erzählen von Problemen, mit denen sie zu kämpfen hatten. Durch das Buch gewinnt die Figur des russischen Wissenschaftlers und Streiters für die Kunst I. W. Zwetajew, der zuvor stets im Schatten seiner berühmten Tochter stand, an Größe und Präsenz.

In den Anlagen findet man zahlreiche Illustrationen. Der Leser kann sich nicht nur eine Vorstellung davon machen, wie die Säle und Exponate im Albertinum und im Alexander-Museum damals aussahen (heute sind sie nicht wiederzuerkennen), sondern auch den berühmten „Panathenäenzug“ genau betrachten, den marmornen Fries, der im Auftrag des Museums vom Bildhauer Leopold Armbruster nach den Motiven des Frieses von Parthenon erschaffen wurde. Obwohl gut erhalten, ist der Fries für den Besucher heutzutage schwer zugänglich.

Übersetzung Olga Koseniuk




  [1]  Hexelschneider, Erhard (Hrsg.): In Moskau ein Albertinum bauen. Iwan Zwetajew und Georg Treu im Briefwechsel (1881-1913). Text deutsch und russisch. Böhlau, Köln, Weimar, Wien, 2006. ISBN 3412063061, 9783412063061



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