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Daniel Stein: Ljudmila Ulitzkaja im Leipziger Haus des Buches

Ëèòåðàòóðíîå êàôå: http://litkafe.de
Àâòîð: Svetlana Voljskaia
Äîáàâëåíî: 2013-09-02 01:17:24
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Vom „falschen Juden“ Daniel Stein
(L. Ulizkaja präsentiert in Leipzig ihr neues Buch)

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Ljudmila Ulizkaja in Leipzig 2009. Foto: Alexandra Omeltschenko
Ljudmila Ulizkaja

Zahlreiche Leipziger Freunde der russischen Literatur haben in diesem Frühling die Chance wahrgenommen, sich mit ihrer Lieblingsschriftstellerin, Ljudmila Ulizkaja, zu treffen. Möglich gemacht haben das Treffen der Schriftstellerin mit Ihren Lesern am 26. März 2009 im Haus des Buches das Literaturhaus Leipzig und der Hanser Verlag.

Dem begeisterten Ulizkaja-Leser ist längst bekannt, dass ihre Bücher nicht nur auf Russisch, sondern auch auf Englisch, Französisch und insbesondere auf Deutsch erschienen sind, denn hier in Deutschland sind sie bekannt, beliebt und werden brillant übersetzt. Die Übersetzungen stammen aus der Feder der talentierten Ganna-Maria Braungardt. Sie war beim Gespräch im Haus des Buches dabei und hat nicht nur spannende mehrsprachige Dialoge ermöglicht, sondern auch meisterhaft Stellen aus der deutschen Romanversion vorgelesen.

Der Erfolg der Ulizkaja in Deutschland hängt zum großen Teil mit der ausgezeichneten Übersetzung Braungardts zusammen. Jedenfalls konnte man an diesem kühlen Frühlingsabend im Saal keinen freien Platz finden. Alle wollten Ljudmila Ulizkaja sehen, hören und erfahren, weshalb ihr neuer Roman seit zwei Jahren so umstritten ist.

Wie immer spielten auch hier die Zuhörer eine wichtige Rolle. Sie fragten nach den realen Vorbildern der Gestalten des Buchs, danach, was die Autorin zur Romankritik zu sagen hat, nach den Möglichkeit einer Verfilmung. Sie sammelten Autogramme und kauften Bücher, die von den Organisatoren zum Verkauf angeboten wurden.

Aber das zentrale Ereignis des Abends waren die authentischen und berührenden Ausführungen der Ulizkaja über die Hauptfigur des Romans, den „falschen“ Juden und Katholiken Daniel Stein.

Die Idee für den Roman hatte Ljudmila Ulizkaja im Jahr 1992, als sie Oskar Rufeisen, das Vorbild für Daniel Stein, kennen lernte. Ihm, dem Juden und katholischen Priester, dessen Lebensgeschichte unglaublich ist, widmete die Schriftstellerin ihr Buch, an dem sie 14 lange Jahre arbeitete.

Der Jude Rufeisen hatte während des Zweiten Weltkriegs bei der Gestapo als Übersetzer gedient. Damals rettete er mehrere Tausend todgeweihter Juden und schmuggelte sie aus dem Ghetto einer weißrussischen Kleinstadt heraus. Es gab für ihn in jener Zeit keinen einzigen gefahrlosen Tag, doch wie durch eine Wunder überlebte er diese Zeit.

Aus Dankbarkeit für die wundersame Rettung entschied sich Daniel, sein Leben Gott zu widmen. Im Alter von zwanzig Jahren ließ er sich taufen und wurde Karmeliter-Mönch. Keiner hatte dafür Verständnis, weder die katholischen Polen noch die Juden. Bruder Daniel selbst rechtfertigte seine Entscheidung damit, dass der christliche Gott, im Unterschied zum Gott der Juden, Mitleid empfinde und sich für sein Volk geopfert habe.

Im Roman wird erwähnt, dass sich zu jener Zeit, im Frühling 1945, zwei Geistliche um eine Stelle im Kloster beworben hatten: Daniel und der zukünftige Papst, Karol Wojtyla. Der Vorsteher entschied sich damals für denjenigen, der es in der Kirche besonders schwer haben würde, für den Juden. Ulizkaja sagte, dass diese „Legende“ wie auch ein Treffen Daniels mit seinem alten Bekannten, als dieser später das höchste Pontifikalamt übernahm, historisch belegt sind.

Einige Jahre diente Rufeisen in Polen, bevor er 1959 nach Israel ausreiste. Rufeisen versuchte, die frühchristliche multinationale Gemeinde zu erneuern und hielt seinen Gottesdienst auf Jüdisch ab. Vierzig Jahre lebte Bruder Daniel in Israel. Er starb 1998 an einem Herzinfarkt. All diese Jahre blieb er ein Außenseiter, wie für die Christen so für die Juden: die einen hielten ihn für einen Häretiker, der den wahren christlichen Glauben entstellt, für die anderen war er ein Verräter.

Die Schicksale von Rufeisen und Stein stimmen nicht in allen Punkten überein. Aber im Laufe der Arbeit am Text, so Ljudmila Ulizkaja, hat sich zwischen Stein und seinem realen Vorbild eine enge Verbindung herausgebildet.

So stirbt die Hauptfigur bei einem Autounfall und erfährt nicht mehr, dass ihm der Vatikan den weiteren Kirchendienst zu diesem Zeitpunkt bereits untersagt hatte. „Ich habe das erfunden und so das Geschehen vorweg genommen“, erzählt die Ulizkaja. Erst nach dem Tod von Oskar Rufeisen fand man in seinem Briefkasten ein Schreiben, mit dem ihm Vatikan das Abhalten von Gottesdiensten verbot.

„Daniel Stein“ überwindet die Kluft zwischen Judaismus und Christentum. Ljudmila Ulizkaja wusste, wie brisant das Thema ist und erwartete einen Skandal. „Ich dachte, man wird mir den Kopf abreißen. Aber es war mir wichtig, mich auszusprechen und das habe ich getan“.

Ungeachtet der widersprüchlichen Resonanz hat der Roman der Ulizkaja einen besonderen Platz in der zeitgenössischen Literatur und großen Erfolg.

Auf Russisch heißt der Titel nicht zufällig “Daniel Stein, der Übersetzer“, nicht einfach „Daniel Stein“ oder „Daniel Stein, der Mönch“. Zentrales Thema des Romans sind Verständnis und Toleranz. Stein, der mehrere europäische Sprachen beherrscht, „erreicht“ mit seiner Botschaft, und darin sieht er den Zweck seiner Werke, viele Menschen.

Stein ist aber nicht nur Sprachmittler. Er versucht, die ewigen Werte der Menschheit den Anhängern unterschiedlicher Religionen zu vermitteln, hilft, spendet Trost, rettet Leben. Ljudmila Ulizkaja hat den Lesern auch verraten, dass Bruder Daniel sogar ihr in einer Lebenskrise geholfen hat.

Ist es für die Menschen schwer genug, Gott zu verstehen, mangelt es zugleich am Verständnis füreinander. Wir sind auf eine Übersetzung angewiesen. Und das ist die wahre Bedeutung und Heiligkeit des „falschen“ Juden, Daniel Stein.

Übersetzung: Olga Koseniuk




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