Äûì Îòå÷åñòâà - Ãåðìàíèÿ Ëåîíèäà è Áîðèñà Ïàñòåðíàêîâ

Epilog

Ëèòåðàòóðíîå êàôå: http://litkafe.de
Àâòîð: Polina Polevaja
Äîáàâëåíî: 2013-08-23 04:30:00
[Âåðñèÿ äëÿ ïå÷àòè]

Boris Pasternak war eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit außergewöhnlichem Talent, ein Genie in Sachen Ehrlichkeit, wenn man das so sagen kann. Die Fähigkeit zu sozialer Mimikry und der Wunsch, die jedem vorgeschriebene Rolle als „Schräubchen im Getriebe“ des Staates zu erfüllen, gingen ihm völlig ab. Um ihm herum entstand, bildlich gesprochen, eine Gewitteratmosphäre. Wie ein zu hoher Baum zog er alle Blitze auf sich, die in den oberen Reihen des literarischen Lebens der UdSSR in der Luft lagen. Möglicherweise nahmen besonders deshalb sein kreatives Schaffen und sein Leben als Staatsbürger einen so tragischen Verlauf.

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Elena Beleninova und Polina Polevaja
Foto: Alexandra Omeltschenko
E.Beleninova und P. Polevaja

1948 wurde die Herausgabe seiner letzten Gedichtsammlung verboten. Somit entzog man ihm schlichtweg die Lebensgrundlage, da er ausschließlich vom Erlös seiner schöpferischen Arbeit lebte. Der einzige mögliche Beruf, der ihm noch blieb, war der des Übersetzers ausländischer Literatur. So übersetzte er Goethes „Faust“, etwas, woran er schon in den 20´er Jahren gedacht hatte.

Da Pasternak die deutsche Sprache sehr gut beherrschte und sich in seiner Jugend weitreichende philosophische Kenntnisse angeeignet hatte, schuf er nicht einfach eine Kopie dieses großen Werkes, sondern so etwas wie einen eigenen russischen „Faust“. Von den sowjetischen Kritikern wurde das Ergebnis allerdings als unverzeihliche Frechheit und Herausforderung von Seiten Pasternaks aufgefasst, sodass recht bald ein neues Gewitter auf ihn niederging. Allem voran gingen aber die Auseinandersetzungen um die Herausgabe von „Doktor Schiwago“ im Ausland und um die Verleihung des Nobelpreises an Pasternak.

All diese Unwegsamkeiten und Mühen schwächten Pasternak, der mit seinen 70 Jahren körperlich noch völlig in Form und arbeitsfähig war. Am 30. Mai 1960 ist er gestorben. Die sowjetische Presse ließ keine einzige Nachricht über diesen großen und weltweiten Verlust verlauten. Nur in der Literaturzeitung (Literaturnaja Gazeta) fand man ein paar wenige Worte über dieses traurige Ereignis. Informationen zum Ort und Zeit seiner Beerdigung wurden nirgends abgedruckt.

Früh am Morgen des 2. Juni 1960 rief mich meine Freundin an. Zu dieser Zeit war ich noch Studentin im 3. Studienjahr der philosophischen Fakultät. Sie teilte mir mit, dass „heute in Peredelkino das Begräbnis Pasternaks stattfindet.“ und: „9.30 treffen wir uns an der Kasse vom Bahnhof.“ Ich lief sofort zum Kiever Bahnhof und fand am Kassenschalter einen einfachen Zettel hängen, auf dem kurz mitgeteilt wurde, dass die Beerdigung des großen russischen Dichters und Zeitgenossen Boris Leonidowitsch Pasternak heute am 2. Juni auf dem Friedhof in Peredelkino stattfindet.

In diesem kleinen Moskauer Vorort lebten damals viele bekannte Schriftsteller. Der Schriftstellerverband der UdSSR besaß dort verschiedene Grundstücke, darunter auch das Haus der Künste, eine Art Ferienheim. Hierher kamen Schriftsteller aus der ganzen Sowjetunion sowie junge Literaten, um an ihrem jeweiligen Buch oder Stück zu arbeiten. Die jungen Dichter, die zu meinem Studienjahr gehörten, sind oft nach Peredelkino gefahren, um dort mit erfahrenen und schon erfolgreichen Dichtern zusammenzutreffen.

Unter uns gab es damals drei junge Menschen, die gerade erst mit dem Dichten begonnen hatten. Der erste war Wladimir Woinowitsch, der später ein berühmter Schriftsteller, Dramaturg und Publizist wurde. Dann gab es Oleg Tschuchonzew, ein anerkannter Dichter und Übersetzer, der mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, unter anderem mit dem Boris-Pasternak-Preis und der Puschkin-Medaille durch Alfred Töpfer in Deutschland. Der dritte von ihnen war Georgi Polonski, der in den 70´er Jahren als Drehbuchautor des Films „Warten wir den Montag ab“ („Doschivem do ponedelnika“).

Mit der S-Bahn sind wir also den vertrauten Weg zum Haus von Boris Pasternak gefahren. Vor uns liefen Menschen, die auch schon mit uns in der S-Bahn gesessen hatten und vorm Haus hatten sich schon viele Menschen versammelt. Man ließ uns bis zur Außentreppe vor und als wir das Haus betraten, fanden wir uns in einem hellen und schlichten Zimmer wieder. Ich erinnere mich, wie in der Mitte des Zimmers ein auf einem Tisch der Sarg stand, der mir ungewöhnlich lang erschien. Boris Pasternak war gut gebaut und von großer Körpergröße. Sein Gesicht war von der Krankheit abgemagert und dennoch so anziehend, dass man seinen Blick nicht davon wenden konnte. In diesem Antlitz, das schon frei von Emotionen war, spiegelte sich so klar dieses ungewöhnliche und erstaunliche Schicksal wieder, dass man davon tief berührt magisch angezogen war…

Um anderen Platz zu machen, die auch von dem Dichter Abschied nehmen wollten, warteten wir im Hof, wo sich immer mehr Menschen versammelten. Sechs Männer trugen den Sarg zum Friedhof. Wir alle folgten ihnen; der kleine Dorffriedhof hat wohl noch nie so viele Menschen auf einmal gesehen. Zur Beerdigung versammelten sich mehr als 4000 Leser von Pasternaks Werken – nur diejenigen, die nicht anders konnten, als von dem in Ungnade gefallenen Dichter Abschied zu nehmen, ein Schritt, der zur damaligen Zeit ziemlich viel Mut erforderte.

Zur Beerdigung kamen Dichter, Nachbarn, aber offizielle Persönlichkeiten als Vertreter der UdSSR sah man nicht. Unter den vielen Menschen konnte man auch die eine und andere bekannte Persönlichkeit aus dem Literatur- und Verlagswesen finden: Andrei Woznesenski, Bella Achmadulina, Bulat Okudschawa, Naum Korschawin, German Plicenski und andere. Es wurden viele hochachtungsvolle und auch bittere Worte über das Schicksal des großen Dichters verloren und sein literarisches Erbe für die literarische Welt wurde wertgeschätzt. Außerdem sprach man über die nicht zu füllende Leere, die Pasternak für die hinterließ, die sein Werk geliebt haben und stellte heraus, welch überragende Persönlichkeit er in menschlicher Hinsicht war.

Vor einigen Jahren bin ich während eines Moskauaufenthaltes wieder nach Peredelkino gekommen, um dort alte Freunde zu treffen. Gemeinsam sind wir an dem uns vertrauten Haus vorbeigekommen, dass nun endlich nach jahrelangen Auseinandersetzungen ein Museum zu Ehren Boris Pasternaks geworden ist. An diesem Tag war das Museum leider geschlossen. Auf dem Friedhof, zu dem wir anschließend liefen, war es still und menschenleer. Am bescheidenen Grabstein des Dichters Pasternak stand aber eine einfache Glasvase mit frischen Blumen. Während wir dort standen und leise miteinander sprachen, traten noch andere hinzu und so standen wir schweigend eine Weile vor dem Grab. Es war Herbst und leichter Regen fiel, aber im Inneren war uns ganz hell und warm zumute. Auf unserer Erde lebte solch ein Dichter wie Pasternak und in unserer Erinnerung bleibt er uns für immer. Seine Empfindungen, seine Gedanken, die in solch wahrhaften und klaren Worten von unsagbarer Schönheit ausgedrückt sind, behalten wir ewig als ein Geschenk, das man gar nicht wert genug schätzen kann.

Übersetzung: Dorothea Merz


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