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Lion Feuchtwanger: das Thema der jüdischen Emigration

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Äîáàâëåíî: 2013-09-16 20:20:02
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Die Aktualität Feuchtwangers und das Interesse an seinem Werk waren Ausgangspunkt der Diskussion des Deutsch-Russischen Literaturcafes. Zwei sehr unterschiedliche Texte Feuchtwangers, der Roman „Exil" und die Reportage „Moskau 1937", standen im Mittelpunkt der Diskussion. Zwei Texte und zwei Motive, das Leben in der Emigration einerseits und die Reflexionen Feuchtwangers über die Sowjetunion 1937 andererseits, steckten, von Feuchtwangers Beschreibungen und Berichten inspiriert, den Rahmen des Gesprächs über Auswanderung, Judentum und Russland ab.

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Nadine Menzel spricht über das Leben und Werk Feuchtwangers
Foto: Alexandra Omeltschenko
Nadine Menzel

Die Mehrheit der russischsprachigen Leser hat die Romane Feuchtwangers noch zu Sowjetzeiten gelesen, zu einer Zeit, als man über den Autor sagte: „Lion Feuchtwanger ist ein fortschrittlicher Schriftsteller, da er mit dem Sozialismus sympathisiert" und „den Genossen Stalin persönlich kennt." Zu Feuchtwangers „Fehlern" zählte jedoch sein Interesse an der jüdischen Geschichte, weil man dies für eine nationalistische Tendenz hielt. Selbstverständlich wurden auch damals fundierte literaturwissenschaftliche Forschungen über sein literarisches Werk unternommen, aber sie waren nur einigen wenigen Intellektuellen bekannt.

Dagegen sprach jeder von Feuchtwangers antifaschistischer Trilogie „Wartesaal": Im Roman „Erfolg" (1930) beschrieb er die ersten Nazierfolge, die, wie im Roman „Die Geschwister Oppenheim" (1933) geschildert, schließlich in die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland mündeten. Die Bücher Feuchtwangers wurden mit großem Interesse aufgenommen, weil die Thematik sehr aktuell war. Heute gewinnt der dritte Teil der Trilogie, „Exil" (1939), der damals fast unbemerkt erschien und vom Schicksal der deutschen Emigranten erzählt (zu jener Zeit ein Tabu-Thema), immer mehr das Interesse der Leserschaft. Besonders aktuell liest sich der Roman für diejenigen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in ihrem Heimatland leben.

In „Exil" arbeitet Feuchtwanger (1884-1958) seine Jahre in der Emigration auf, indem er sie beschreibt und reproduziert. Der Schriftsteller hasste die Nationalsozialisten, ihre „neue Ordnung" und kämpfte sein Leben lang gegen sie. Die Nazis ihrerseits taten alles, was in ihrer Macht stand, um ihm das Leben zur Hölle zu machen: Sie erkannten ihm den Doktortitel ab, verbrannten öffentlich seine Werke und organisierten in den Medien eine Hetzjagd gegen ihn. Als Feuchtwanger 1932/33 in England und den USA Vorlesungen hielt, die den hässlichen Kern der nationalsozialistischen Ideologie enthüllten, bürgerten ihn die Nazis kurzerhand aus. 1933 beantragte Lion Feuchtwanger in Frankreich Exil. Sein Hab und Gut in Deutschland wurde konfisziert, seine Büchersammlung verbrannt und man setzte ein Kopfgeld in Höhe von 10.000 Reichsmark auf ihn aus.

In Frankreich angekommen, bekam Feuchtwanger die Probleme der Emigranten am eigenen Leib zu spüren: „Für die meisten bedeutete die freiwillige oder erzwungene Flucht aus Deutschland die Preisgabe ihrer Stellung und ihres Vermögens. Denn die Stellung musste aufgegeben, das Geld zurückgelassen werden. Womit sonst hätte die regierende Partei die Versprechungen halten können, die sie ihren Mitgliedern gemacht hatte, bevor sie ans Ruder kam? So lebten also die deutschen Emigranten zumeist in Dürftigkeit. Es gab Ärzte und Rechtsanwälte, die mit Krawatten hausierten, Büroarbeit verrichteten oder sonstwie, illegal, von der Polizei gehetzt, ihr Wissen an den Mann zu bringen suchten. Es gab Frauen mit Hochschulbildung, die als Verkäuferinnen, Dienstmädchen, Masseusen ihr Brot verdienten" („Exil", Buch 1, Kapitel 8).

Die Lage der „trüben Gäste" im fremden Land („Bist du nur ein trüber Gast / Auf der dunklen Erde" - Goethe, „Selige Sehnsucht") war schwierig, sie kämpften erbittert ums Überleben und waren in jeder Hinsicht bemitleidenswert. Feuchtwanger konnte sich aber ebenso davon überzeugen, dass sich Menschen in dieser Situation nicht immer von ihrer besten Seite zeigen.

„Man liebte sie nicht, die deutschen Emigranten, so mussten diese Fremden, ihren Umgang zumeist untereinander suchen. Da entlud sich denn häufig ihr Elend und ihre Verzweiflung in läppischem, kleinlichem Gezänk, einer rieb sich am anderen, man sah unbewusst im andern das eigene Bild und beschimpfte in der Kleinheit des andern die eigene Unzulänglichkeit" (Ebd.).

Es versteht sich, dass nicht alle Emigranten aus Feuchtwangers Bekanntenkreis dessen Schilderung teilten. So ist es kein Zufall, dass sich einer der Romanprotagonisten, der Redakteur einer antifaschistischen Zeitung, Heilbrun, seiner Sache ganz sicher ist: „Wirkönnen keine Geschichten bringen, in denen Emigranten eine so zweifelhafte Rolle spielen... Ist es nicht genug, dass die Emigranten von allen Seiten schlecht gemacht werden? Sollen wir noch selber das eigene Nest bekacken?" Die Antwort des Hauptprotagonisten, Sepp Trautwein, bringt dagegen die Antwort des Autors zum Ausdruck: „... wenn wir die Wahrheit über uns selber nicht sagen dürfen, wo sollen wir dann den Mut hernehmen, sie über die andern zu sagen, über unsere Gegner?" uns selber nicht sagen dürfen, wo sollen wir dann den Mut hernehmen, sie über die andern zu sagen, über unsere Gegner?"

Nichtzuletzt durch die Figur des Trautweins gewinnt der Roman an Wahrhaftigkeit und Tiefe. Die Biographie, die Lebensansichten und Erfahrungen Trautweins stimmen zum großen Teil mit denen des Autors überein. Wenn Feuchtwanger Trautwein mit so viel eigenem belädt, so ist Sepp Trautwein doch auch wieder ein ganz anderer Mensch als der Autor. Der kluge und talentierte Musiker ergänzt Feuchtwanger mehr als das er ihn reproduziert. Auch Trautwein ist Antifaschist: „...es gab unter den deutschen Exilanten zahlreiche, die um ihrer politischen Gesinnung willen hatten fliehen müssen, und es gab die große Masse derjenigen, die, nur weil sie selber oder ihre Eltern in den standesamtlichen Registern als Juden geführt wurden, sich zur Auswanderung gezwungen gesehen hatten..." (Ebd.) Trautwein gehört der ersten Gruppe an. Es waren politische Gründe, die ihn bewegt hatten, sein Heimatland zu verlassen. Er wollte sich mit dem faschistischen Regime, dem er unversöhnlich gegenüberstand, nicht abfinden.

Die jüdische Emigration ist im Roman „Exil" sehr ausführlich beschrieben. Die einzelnen Figuren: Schriftsteller, Ärzte, Künstler, Geschäftsleute lassen sich leicht zu einem, obgleich bunten, Puzzle zusammenfügen. Da ist der Journalist Friedrich Benjamin, ein aktiver Kämpfer gegen die faschistische Ideologie. Er wird von den Nazis gehasst, aus diesem Grund entführt und in ein KZ gesteckt. Die Figur des Benjamin hatte einen realen Prototypen, einen Menschen, dem dasselbe widerfahren und am Kampf um dessen Befreiung Feuchtwanger beteiligt gewesen war. Benjamin überlebte seine Haft und wurde befreit. Aber schon vor seiner Entführung hatte er sich erschöpft und enttäuscht gefühlt. Im Exil stellt er den Sinn seiner Arbeit in Frage: „Heute schreiben wir in die leere Luft. Diejenigen, die uns lesen, sind von vornherein unserer Meinung, und diejenigen, die schwanken, oder keine Meinung haben, die erreichen wir nicht" (Buch 1, Kapitel 3).

Als „König im Exil", macht der Redakteur der Emigrantenzeitschrift, Heilbrun, der sein unpassendes „prächtiges Gewese nicht lassen konnte", unter den nicht gerade leichten und unklaren Verhältnissen einen komischen Eindruck. Der „Glückspilz" Doktor Wohlgemuth schafft sich dank seinem Talent und Fleiß erst in Paris, später in London eine neue Lebensgrundlage. „Er konnte sich nach Herzenslust überarbeiten, seinen Patienten jeden Preis abfordern, der ihm gut dünkte, sich von Witwe Blackett nach Belieben ärgern lassen und, dem Zug ihres und seines guten Herzens folgend, große Summen für bedürftige Emigranten ausstreuen"(Buch 3, Kapitel 23).

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Veranstaltungsort des Deutsch-russischen Literaturcafes.
Foto: Alexandra Omeltschenko
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Der Sänger Donald Percy, dem die Nazis übel mitgespielt hatten, räumt ein: „Wenn ich jetzt an Deutschland denke, dann ballt sich auch meine Hand. Manchmal steigt plötzlich auch vor Deutschen, die keine Nazis sind, eine Welle von Hass in mir hoch. Ich kann es Deutschen nicht verzeihen, keinem einzigen, dass sie das haben geschehen lassen." (Buch 3, Kapitel 1) So entflammt sich unter Nationen Hass, der keinen logischen Grund zu seiner Rechtfertigung braucht. Sepp Trautwein ist kein Nationalist, aber auch er erinnert sich während eines Gesprächs mit Percy daran, dass er den Verleger Gingold insgeheim als einen „dreckigen Juden" beschimpft hatte. „Kann sich auch der zivilisierte Mensch, der Humanist, nicht dagegen wehren, dass in ihm, sowie er gegen einen einzelnen gereizt ist, der Gruppenaffekt wach wird?" (Buch 3, Kapitel 11)

Feuchtwanger hatte für einseitigen Radikalismus nichts übrig. In einem Interview erklärte er: „Wenn ich gefragt werde, zu welcher Nationalität ich mich als Künstler bekenne, antworte ich: meine Sprache ist Deutsch, meine Ansichten sind international, mein Gefühl - jüdisch. Manchmal ist es nicht einfach, die Ansichten in Einklang mit dem Gefühl zu bringen."

Es verwundert nicht, dass sich ein Mensch wie Feuchtwanger mit der Geschichte und den Gründen des Antisemitismus befasste. Diese Frage hat Feuchtwanger oft thematisiert. Die Roman-Trilogie „Der Jüdische Krieg" beschäftigt sich mit der Geschichte des jüdischen Volkes seit den Zeiten des Römischen Reiches. Auch heute bleibt dieser Text aktuell. Der Autor zeigt, wie der verbitterte Kampf ums Überleben das nationale Selbstverständnis der Juden prägte und wie der nationale Charakter mit all seinen Facetten (die nicht immer nur Sympathie ernten) zustande kam, sich weiterentwickelt hat und an die jüngsten Generationen vererbt wird.

Im Roman „Exil" findet man eine Figur, die wie keine andere die Quintessenz des jüdischen nationalen Charakters mit allen seinen attraktiven wie unangenehmen Seiten verkörpert. Das ist Louis Gingold, der Herausgeber der antifaschistischen Emigrantenzeitung in Paris. Sein Äußeres verrät die Abstammung von jüdischen Vorfahren nur zu deutlich, und er hat am meisten unter der Judenfeindlichkeit zu leiden. Ausführlich beschreibt Feuchtwanger den dornigen Lebensweg Gingolds zu Wohlstand und Ansehen in Deutschland. Die Machtübernahme des Naziregimes zwingt ihn jedoch zur Flucht nach Frankreich.

Doch auch im Exil bleibt der Mann nicht untätig: „Sein Grundbesitz innerhalb der deutschen Reichsgrenzen zwang ihn, nach wie vor mit den Nazis Geschäfte zu machen, es liefen zwischen ihm und den Nazis hundert Fäden, er drohte, feilschte, kämpfte, bestach, er versteckte sich als Ausländer hinter ausländischen Regierungen, er war süß mit Nazifunktionären, wenn es am Platze war und zeigte, wenn es angebracht war, die Krallen, kurz, er hatte viele Beziehungen zu den Nazis, musste sie haben." (Buch 2, Kapitel 8) Außerdem, halten sich noch seine Tochter und sein Schwiegersohn in Berlin auf. Fürsorglich, wie er ist, muss Gingold für ihre Sicherheit sorgen.

Allen seinen Verpflichtungen geht er mit Leidenschaft nach: Leidenschaftlich widmet er sich seinen Geschäften, sorgt sich um sein Hab und Gut und kümmert sich um seine Familie. Er ist sehr religiös und ein vorbildliches Mitglied der jüdischen Gemeinde. Wie kommt es eigentlich dazu, dass dieser unpolitische, vorsichtige, erfahrene und auf seinen Vorteil bedachte Mensch die Emigrantenzeitung „Pariser Nachrichten" finanziert? Denn „vom geschäftlichen Standpunkt aus war ein solches Blatt alles eher als interessant." Dafür hatte er sehr wohl wichtige Gründe. „Herr Gingold ... glaubte an Gott ...wenn er in der Subventionierung der PN ein gottgefälliges Werk sah, dann deshalb, weil dieses sein Blatt die jüdische Gemeinschaft verteidigte und an dem Heiligen Krieg gegen die Nazis, die Judenfeinde, teilnahm." Auf diese Weise schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Er macht es der eigenen Familie und der jüdischen Gemeinde recht (Buch 2, Kapitel 8).

Solch ein listiges Doppelspiel als Lebensposition mag nicht jedem gefallen. Da kommt die berechtigte Frage auf, kann man gegen seine Feinde ankämpfen und zugleich mit ihnen erfolgreich Geschäfte führen? Der Autor macht keinen Hehl aus der Widersprüchlichkeit dieses Charakters, aber er versucht ihn zu verstehen und gibt einen tiefen Einblick in dessen Seele. Der Erfolg gibt Gingold letztendlich recht, denn wer könnte es schon außer ihm bewerkstelligen, seine Taugenichts-Tochter aus den Krallen der Nazis zu befreien und trotz des Streiks der Mitarbeiter seine antifaschistische Zeitschrift nicht untergehen lassen, und das alles im Exil?!

Auch der brillante deutsche Journalist und Diplomat des Dritten Reichs, Wiesner, ist nicht im reinen mit seinem Gewissen und schwankt zwischen Gefühlen und Verstand. Nur wird einem Juden ein Laster, das auch viele andere haben, nicht so leicht verziehen. Unter den Juden sind viele besonders talentierte und ungewöhnliche Persönlichkeiten, die von der Mittelmäßigkeit (dabei stellen die Nazis keine Ausnahme dar) beneidet und gehasst werden. Ein Beispiel dafür ist „der Glückspilz" Dr. Wohlgemuth, auf dessen ärztliche Hilfe der Faschist Baron Walter von Gehrke angewiesen ist.

Die Figur Wohlgemuth steht im engen Zusammenhang mit einer anderen Schöpfung von Feuchtwanger, mit dem legendären Juden Süß. Beide sind sie über alle Maße hinaus erfolgreich, talentiert und reich. Keiner kann ihnen das Wasser reichen! Deswegen versucht man sie zu erniedrigen oder ihren Ruf zu ruinieren. Wenn das nicht klappt, bleibt nur eins übrig - sie zu eliminieren. Der Roman von Feuchtwanger „Jud Süß" ist zu einem Weltbestseller geworden, weil der Antisemitismus dort in einer Reihe mit solchen Ausscheidungen der menschlichen Seele wie Neid oder Eifersucht steht. Nicht umsonst werden sie von kultivierten Menschen peinlichst vermieden und verborgen.

Wie war es möglich gewesen, dass gewöhnlicher Alltagsantisemitismus zu Hitlers Zeiten Staatspolitik wurde? „Warum sie nur", fragte der Sänger Nath Kurland, jetzt Donald Percy, „einen so sinnlosen, infernalischen Haß gegen die Juden haben?" Dieselbe Frage stellen sich nicht nur die Protagonisten des Romans „Exil" 1935, während des großen Parteitags der Nationalsozialisten in Nürnberg, des „Reichsparteitags der Freiheit", sondern auch der Autor samt seiner Leserschaft aller Nationalitäten. Auf dem Nürnberger Parteitag wurde das berüchtigte „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verabschiedet. Seit diesem Tag war „Juden der Geschlechtsverkehr mit Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes bei Zuchthausstrafe verboten."

„Ich weiß schon", sinnierte er (Donald Percy) weiter, „sie wollen das Kapital der Juden, sie wollen die Unternehmungen der Juden für ihre eigenen Leute, sie wollen die Schuld an dem allgemeinen Elend von sich ablenken. Aber das alles könnten sie doch viel einfacher haben. Da brauchten sie doch nicht solche Gesetze zu erlassen, die ihnen keinen Vorteil bringen, die nichts sind als Beschimpfungen, als Beweise eines grenzenlosen, bestialischen Hasses."

„Sie sollten darüber nicht soviel grübeln", sagte Peter Dülken und schüttelte die Haare aus der Stirn. „Es gibt eine Menge Gründe. Bedenken Sie zum Beispiel, dass der Primitive seinen schlimmsten Feind in der Vernunft sieht. Der traurige Pöbel, den der Krieg und seine Folgen hochgeschwemmt und zu Deutschlands Herren gemacht hat, glaubt doch nicht an sich selber. Die Burschen spüren doch genau ihren Mangel an Verstand. Sie hassen den Verstand, und Juden, mit Recht oder mit Unrecht, gelten ihnen als seine Repräsentanten."

„Ja", pflichtete ihm Zarnke bei, „sie hassen im Juden nicht die Minderwertigkeit, sondern die Hochwertigkeit. Mir hat einmal", erzählte er, „ein deutscher Dorfwirt an der litauischen Grenze Klage geführt über seinen jüdischen Konkurrenten. ,Das ist keine Kunst', hat er sich empört, gescheit zu sein, wenn einer ein Jud ist'" (Buch 3, Kapitel 17).

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Herwig Lewy
Foto: Alexandra Omeltschenko
Herwig Lewy

Auf der Suche nach einer Gegenmacht, die die Juden vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten beschützen kann, richtet Feuchtwanger, wie viele andere damals, seinen Blick auf die UdSSR. Die Meinung des Autors zum sozialistischen Staat findet man im „Exil" in den Diskussionen Sepp Trautweins mit seinem Sohn Hans. Ihre Schlussfolgerung ist nicht allzu optimistisch. Die UdSSR ist zwar weit von der Demokratie entfernt, stellt aber das vergleichsweise kleinere Übel dar.

Während der Arbeit an der Trilogie „Wartesaal" besuchte Lion Feuchtwanger die UdSSR und durfte Stalin höchstpersönlich treffen. Seine Eindrücke hielt er im Buch „Moskau 1937" fest. Das Buch wurde damals in Russland in einer unglaublichen Auflagenhöhe (200.000 Exemplare) veröffentlicht. Der Literaturkritiker Jury Belezjansky schreibt heute: „Das Buch stellte sich für die Sowjets als sehr nützlich heraus, denn das russische Volk und Stalin wurden als Erlöser der Welt von der Nazibedrohung dargestellt." An einer weiteren Textstelle liest man: „Während sich Feuchtwanger als Ehrengast in Moskau aufhielt, hat man vorsichtshalber nach Möglichkeiten gesucht, um ihn, wenn es darauf ankommt, unter Druck zu setzen. Ausgerechnet die Dolmetscher, deren Kunst der Intellektuelle so bewunderte, haben ihn denunziert und den Geheimdienst über seine unvorsichtigen Worte und Briefe in Kenntnis gesetzt. Moskau 1937 ist zweifelsohne ein peinliches Buch und beweist nochmals, wie gefährlich Illusionen sein können" („Lion Feuchtwangers tragischer Irrtum").

Hat sich der weise Lion Feuchtwanger, der weltbekannte Schriftsteller, wirklich von den Sowjets auf den Arm nehmen lassen? Wie denken die Leser und Literaturwissenschaftler heute in Deutschland darüber? Im Literaturcafe stellte Herwig Lewy seine Sichtweise auf das Thema dar. Lewy geht davon aus, dass Feuchtwanger mehr oder weniger deutlich gesehen habe, was sich in Russland 1937 an schrecklichen Dingen ereignete. Er hielt es jedoch trotzdem für besser, Stalin zu unterstützen, der nur wenige Jahre später Hitler tatsächlich besiegte.

Wie es im Land um den Antisemitismus bestellt war, konnte Feuchtwanger nicht wissen, denn vor dem Zweiten Weltkrieg sah die Situation relativ entspannt aus. Im Volksmund hieß es, dass man sich im Laufe des Krieges bei den Nazis mit dem Virus des Antisemitismus „angesteckt" habe. Zunächst bekam man die Judenfeindlichkeit in der Armee zu spüren. Sie verbreitete sich dann jedoch in allen Schichten der Bevölkerung. Jude zu sein, wurde zunehmend gefährlicher. Schauprozesse („Fall der Ärzte" und viele andere) erschütterten das Land.

Liliana Lungina zufolge, hat man damals „Juden aus dem Zentralkomitee, aus den Moskauer Stadt- und Stadtteilräten, aus den Ministerien, Zeitungen, Forschungsinstituten und Universitäten verjagt... Man besprach den möglichen Ablauf einer Umsiedlung der Juden. Stalin wird vor dem Volk sprechen und sagt: Um die Juden vor dem gerechten Zorn der Russen zu retten, muss man sie aus den großen Siedlungen entfernen und isolieren. Das wird als ein humaner Akt dargestellt. Die Gerüchte hingen wie ein schweres Unwetter über der Stadt. Ich zweifle keine Minute daran, dass man die Juden vertrieben hätte, wenn Stalin nicht gestorben wäre. Das war genauso real wie die Umsiedlung der Kabardiner und Osseten, Krimtataren, Türken, Bulgaren, Griechen und Wolgadeutschen. Wissen sie, wie das damals organisiert wurde? Sie brauchten 24 Stunden, um ein Volk auszusiedeln."

Auch ein Lion Feuchtwanger irrt sich, was die Bedeutung seiner Werke und deren aktuelle Bezüge nicht schmälert. Ebenso wenig hat sich das Thema der jüdischen Emigration überlebt, im Gegenteil, es beschäftigt weiterhin die Menschen in allen Teilen der Welt.

Übersetzung Olga Koseniuk




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