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Deutschland im Leben und Schaffen von Leonid Pasternak

Ëèòåðàòóðíîå êàôå: http://litkafe.de
Àâòîð: Jelena Beleninowa
Äîáàâëåíî: 2013-08-23 08:30:00
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Zwei eigenständige Namen in der russischen und Weltkultur, zwei bedeutende Meister, die „durch das blinde Spiel des Schicksals das Glück hatten, sich zur Gänze auszudrücken". Der Vater in der Malerei und Grafik, der Sohn in der Lyrik und im literarischen Schaffen. Die Aufgaben, die der- Künstler und der Dichter sich in ihrer Arbeit stellten, stimmten überein. Beide hielten sich für Realisten. „Was macht einen Künstler zum Realisten, und was macht ihn aus? Frühe Empfänglichkeit in der Kindheit ... und rechtzeitige Gewissenhaftigkeit in der Reife", schrieb B. P. 1945 in einem Aufsatz über Chopin.

Für den Sohn waren das Leben des Vaters, seine Werke, sein Verhältnis zur künstlerischen Arbeit und zur Wirklichkeit immer Gegenstand der Bewunderung und nachahmungswertes Vorbild. B. P. machte sich vieles aus dem väterlichen Erfahrungsschatz zu eigen.

„Dieses Verhältnis zum Leben, d.h. das Staunen darüber, welches Glück ich habe und welch Geschenk das Dasein ist, habe ich vom Vater: Die Begeisterung über die Wirklichkeit und die Natur war der Hauptnerv seines Realismus und der technischen Beherrschung der Form."

Davon ist auch Pasternaks Poesie durchdrungen. Eines der ersten Gedichte heißt „Lebensgefühl".


Das Dasein - keine Last.
Zu leben - leichter nie.
Rotglühend ging die Sonne auf
Und rieselt warm durch meinen Leib.

Heut halt ich alle Ewigkeit,
Der Zeiten Weite unverhüllt.
Die Gotteswelt soeben erst begann -
Von niemandem erahnt, so neu.

Leben, Unsterblichkeit sind eins.
Den höheren Mächten sei gedankt
Für den Wein, den magischen Wein,
Der feurig durch die Adern rinnt.


Das überträgt sich auch auf uns, wenn wir Arbeiten des Künstlers betrachten oder Gedichte des Lyrikers lesen oder hören.

Deutschland nimmt im Schaffen von Vater und Sohn einen besonderen Platz ein. Die künstlerische Hinterlassenschaft der Familie Pasternak ist gewissermaßen ein Bindeglied zwischen der Kultur Russlands und Deutschlands. Beide studierten in Deutschland, lebten und arbeiteten dort längere Zeit. Berührungen mit der deutschen Kultur und Geschichte, Begegnungen mit Künstlern und Wissenschaftlern, die langjährige Freundschaft mit dem großen deutschen Dichter Rainer Maria Rilke - all das wurde Teil ihrer Biografien und beeinflusste ihr Werk. Boris Pasternak schuf die beste russische Übersetzung von Goethes „Faust". Diesen Beziehungen zu Deutschland will ich in meinem Vortrag nachgehen.

Leonid Pasternak

Leonid Ossipowitsch Pasternak wurde am 22. März (4. April) 1862 in Odessa geboren. Mit dem Zeichnen begann er früh und brachte es schon als Autodidakt sehr weit. Erst als er in der letzten Klasse des Gymnasiums war, besuchte er die Odessaer Zeichenschule.

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Leonid Pasternak Autoporträt. 1908Wikimedia
Leonid Pasternak

Die Eltern standen der künstlerischen Neigung ihres Sohnes schroff ablehnend gegenüber. Ihrem Wunsch folgend, besuchte er die Medizinische Fakultät der Moskauer Universität, wechselte aber nach Aneignung der „für einen Künstler so nützlichen" Anatomie zur Juristenfakultät. Höhere Bildung zu erlangen war für einen jüdischen Knaben unerlässlich, um ihm den für Juden im zaristischen Russland festgelegten Grad der Sesshaftigkeit zu sichern. Gleichzeitig wollte er sich bei der Schule für Malerei, Bildhauerkunst und Baukunst (im folgenden SMBB) einschreiben, aber der einzige freie Studienplatz war schon von der Gräfin T.L. Tolstaja belegt.

Später bemerkte Tolstois Tochter im Scherz, dass Leonid Pasternak es ihr verdanke, dass er, weil er nicht in die SMBB kam, ins Ausland ging und sich an der Münchener Königlichen Akademie bewarb (1882). Die Auswahlprüfung bestand Leonid P. als Erster, und er blieb auch in seiner ganzen Zeit an der Akademie Erster, „arbeitete mit großem Eifer, obwohl seine Mittel manchmal nicht einmal zu Rettich und Brot reichten". Professor Herterich, in dessen Atelier er studierte, nahm an seinen Arbeiten keine Korrekturen vor. Diese Schülerarbeiten besaßen einen solchen Grad der Selbständigkeit und Vollendung, dass sie später von Tretjakow, Stschukin und anderen Sammlern erworben wurden.

„Die Stadt München lebte von Studenten und für Studenten aller Nationalitäten. Die Königliche Akademie der Künste besaß ein so hohes Ausbildungsniveau, dass viele statt in Paris lieber in München studierten - besonders Zeichnen."

Leonid P. war 20-23 Jahre alt, als er studierte. Später erinnerte er sich: „Ich bin Herterich sehr dankbar für das wenige, was ich von ihm bekommen konnte, für die völlige Freiheit in der Arbeit, für das Nichtbevormunden und für den künstlerischen Geist und die Atmosphäre, die in seinem Atelier herrschten."

Neben dem obligatorischen Unterricht an der Akademie gab es noch so genannte „Komponierabende“. Hier wurden Kompositionen zu Themen angefertigt, die der bekannte Maler und Illustrator Prof. Litzenmaier stellte. Es gab eine Diskussion, und die besten Skizzen wurden prämiiert; die betreffende Komposition wurde reproduziert und an die Teilnehmer der Abende verteilt. Litzenmaiers Bemerkungen waren überaus interessant und lehrreich und brachten die Schüler sehr voran. Die Abende wurden in einem separaten großen Raum eines Wirtshauses veranstaltet, und sowohl die Schüler als auch der Professor fühlten sich bei einem Krug Bier in freundschaftlicher Runde frei und ungezwungen.

Größtes Freizeitvergnügen und Erholung bedeutete der Besuch der Pinakothek, in der sich eine der hochkarätigsten europäischen Grafiksammlungen und Originalzeichnungen der alten Meister befanden. „Ein noch größerer Genuss war es, in die Alte Pinakothek zu gehen, um die alten Meister zu betrachten. Der wunderbare Tizian der letzten Periode; Tintoretto; die besten Stücke von Rubens und van Dyck. Die Alte Pinakothek ist eine der besten europäischen Kunstsammlungen."

Obwohl Leonid Pasternak infolge der Unterernährung gesundheitlich stark angeschlagen war, schaffte er es zur Freude seiner Eltern, parallel zur Ausbildung in München ein Fernstudium an der Juristenfakultät der Universität Noworossisk zu absolvieren, wohin er sich von der Moskauer Universität hatte umschreiben lassen.

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L.Pasternak und seine Frau. Autoporträt. 1927.
L.Pasternak und seine Frau. Autoporträt

Die Münchener Periode (1882-1885) wurde für Leonid P. das Fundament, von dem er sein Leben lang zehrte und das ihm ermöglichte, seinen Beitrag zur russischen Moderae zu leisten, wie als Künstler, so auch als Lehrer. In München wurden auch sein Interesse und sein Geschmack an der künstlerischen Buchillustration geweckt, was ihm später internationale Anerkennung eintrug. 1885 schließt Leonid P. die Naturklasse mit einer Medaille ab und kehrt nach Russland zurück. Hier, in Odessa, lernt er R. I. Kaufman kennen, eine begabte Pianistin und bereits Professorin am Konservatorium. Zwei Jahre leistet er als Freiwilliger bei der Artillerie seinen Wehrdienst. Nach der Armeezeit folgt Moskau und die Arbeit am ersten großen Bild „Nachrichten aus der Heimat“, das P. M. Tretjakow von der Staffelei weg erwirbt und bis zur Wanderausstellung 1889 besitzt. Für das von Tretjakow erhaltene Geld wurde geheiratet (14. Februar 1889). Am 29. Januar (nach neuem Kalender am 10. Februar) wurde in Moskau das erste Kind geboren - der Sohn Boris.

Leonid P. arbeitet viel: Privatstunden, Arbeit an Illustrationen und Gemälden, Auftragsarbeiten, die Eröffnung einer privaten Zeichenschule. Am 13. Februar 1893 wurde Sohn Alexander geboren. Im selben Jahr lernt Leonid P. Leo Tolstoi kennen. Die Bekanntschaft wird zur Freundschaft und zu künstlerischer Partnerschaft. Als Tolstoi seinen Roman Auferstehung" für den Druck vorbereitete, bat er den Künstler, Illustrationen dazu anzufertigen. Diese Arbeit nahm fast das ganze Jahr 1899 in Anspruch.

1905. Unruhen, Schießerei auf den Straßen, Barrikaden. Der Unterricht an der SMBB wurde unterbrochen. Ende Dezember fahrt Leonid Pasternak mit der Familie nach Berlin. Leonid P. hatte wie immer viel zu arbeiten, malte Porträts, befasste sich mit der Radierung. Er lernt namhafte deutsche Künstler wie Max Liebermann, Lovis Corinth u. a. kennen. Man macht ihm das Angebot, die Stelle eines Lehrers an der Berliner Akademie der Bildenden Künste anzutreten. Max Liebermann stand der Berliner Secession vor, in der sich Künstler nichtakademischer Ausrichtung zusammenschlössen. 1906 teilte sich dieser Verband in zwei Gesellschaften auf: die „Freie Secession" unter Leitung Liebermanns und die „Neue Berliner Secession" unter Lovis Corinth.

Brief an P. D. Ettinger vom März 1906


In einem Brief an seinen Freund P. D. Ettinger vom März 1906 schreibt Leonid Pasternak: „Nehmen wir zum Beispiel Liebermann. Der Gott der dortigen Secession ..., aber wie ich ihn von Angesicht zu Angesicht bei ihm zu Hause sah, wie er malte und zeichnete... Ich war auch erleichtert: Auch wir sind nicht von gestern. Ich war noch einmal bei ihm, er hatte mich beim ersten Mal gebeten, ihm gelegentlich Modell zu stehen, er male ein Genrebild, auf dem der Papst in der Sixtinischen Kapelle die Menge segnet. Ich wurde auch in dem wenigen enttäuscht, was mich noch an ihm fasziniert hatte. - Diese unverhohlene Selbstvergötterung, sein ständiges „Ich" und „Ich" ... am Ende des Besuches wurde er mir widerwärtig, klein, kleinlich, trotz seines zweifellos vorhandenen scharfen Verstands, seiner starken Persönlickeit u. dgl., aber letztendlich ist er ein immer Satter, durch Vermögen, Schmeichelei und sonstige Güter des Lebens Verwöhnter.“


Lovis Corinths Malerei wird von Leonid P. sehr hoch eingeschätzt. Er ist vom Mut und von der Kraft des damals schon kranken Meisters begeistert, steht ihm auf seine Bitte Modell für ein Porträt und schafft es, während einer Sitzung selbst Skizzen von ihm zu zeichnen. Das herzliche Verhältnis zu Corinth wurde 1925 unterbrochen. Leonid P. konnte Corinth nicht mehr zu dessen Lebzeiten malen, aber bald nach dem Tod des deutschen Freundes fertigt er ein Porträt nach den aufbewahrten Skizzen an. Das Porträt machte großen Eindruck, als es 1927 in einer Ausstellung gezeigt wurde. In Privatbesitz übergegangen, ging es im Zweiten Weltkrieg verloren. Ein Porträt Leonid Pasternaks, gemalt von Lovis Corinth, befindet sich in einem Hamburger Kunstmuseum.

Das kulturelle Leben Berlins war 1906 sehr vielseitig. Mehrere internationale Kunstausstellungen liefen zu gleicher Zeit. Große Musiker gaben Konzert-Zyklen. Man erwartete Rilke zu Rodin-Vorträgen, doch sein Vater starb plötzlich, darum kam er nicht nach Berlin. Die Stadt bot die Möglichkeit, großartige Kunstsammlungen kennen zu lernen. Pasternak schrieb am 31. März 1906 anP. D. Ettinger: „Neulich war ich mit den Jungs im Museum für Völkerkunde - etwas Unübersetzbares!! Wenn Sie das gesehen hätten (ich sah es zum ersten Mal): die Reste der Kunst Mexikos und überhaupt Amerikas, dann gibt es da Indien und alle Völkerschaften Asiens, Afrikas, Australiens - eine unerschöpfliche Quelle der Volkskunst, von den primitivsten Wilden bis zu höchster Kunst ... der Inder, der Japaner, und überall das Bestreben, die Schönheit von Form, Farbe und Harmonie auf immer festzuhalten." Leonid P. nennt die Sammlungen des Berliner Museums „erstaunlich reichhaltig und instruktiv".

Sommer 1907 lässt Leonid Pasternak die halbwüchsigen Kinder unter der Obhut der Großmutter (Berta Samoilowna Kaufman) zurück und geht mit seiner Frau nach England. Doch zunächst besuchen sie Belgien und Holland, um die dortigen Kunstsammlungen kennen zu lernen, und machen einen Abstecher nach Berlin.

Von der Reise, seiner zunehmenden Autorität und dem Erfolg in Ausstellungen beflügelt, arbeitete Leonid P. unablässig. Er fertigte eine Serie westeuropäischer Stadtlandschaften. Der Aufträge für Porträts konnte er sich kaum erwehren. Seine Bekanntheit erlaubte ihm, künstlerisch bedeutsames Material auszuwählen, ohne sich dem Geschmack des Auftraggebers zu unterwerfen. Die Anzahl gemalter Porträts ist sehr groß.

Später notierte Leonid Pasternak: „Im Laufe der gesamten Kunstgeschichte hat das Porträt - eben weil es sich auf strenge Naturdarstellung, auf Herausarbeitung der Wahrheit gründet - selbst in Zeiten radikaler Veränderungen der Kunstrichtungen und der Dekadenz, die Kunst immer auf den gesunden Weg der Beobachtung, der Suche, des aufrichtigen Studiums der Natur und ihrer wahrhaftigen Wiedergabe zurückgeführt."

Die Bekanntheit des Künstlers Pasternak in Russland wie im Ausland nahm zu. Viele ausländische Zeitschriften veröffentlichten Reproduktionen seiner Arbeiten (Bilder, Litographien, Zeichnungen). Oft erschienen sie in der hochangesehenen, in europäischen Künstlerkreisen führenden englischen Zeitschrift „Studio". Beachtimg verdient, dass ein Mr. Vincent, der sich für die in „Studio" veröffentlichten Pasternak'sehen Kinderzeichnungen interessierte, den Künstler bat, seine Tochter zu porträtieren. Ein solches Angebot aus England, wo es viele gute Porträtmaler gab, war schmeichelhaft. Mr. Vincent versprach, diesem Auftrag würden jede Menge gut bezahlte andere folgen, denn Engländer mit ihrer Kinderliebe seien wie kein anderes Volk fähig, einen Künstler zu würdigen.

Kinder- und Familienszenen, Kinderzeichnungen und -porträts nehmen im Werk Leonid Pasternaks besonderen Raum ein. Der Künstler lernt, das kindliche Modell in der Bewegung zu erfassen. Pasternak genoss zu Recht den Ruf eines ausgezeichneten Kinderzeichners und - porträtisten, aber das wertvollste Zeugnis seines Erfolges stellt wohl die Anerkennung des von ihm hoch geschätzten W. Serow dar: „Sie haben das Kind besiegt!“

Er trainiert Auge und Hand in einer unendlichen Reihe von Zeichnungen, vor allem der eigenen vier Kinder. Später schrieb Boris Pasternak an seinen Vater: „Am besten hast Du, glaube ich, Tolstoi und Shonja gezeichnet. ... Shonja hast Du so gezeichnet, dass sie mit den Zeichnungen aufwuchs, ihnen nachlebte, sich von ihnen mehr erziehen ließ als von sonst irgendetwas.“

Die Familie kehrte nach Russland zurück, wo Leonid Pasternak ein aus Petersburg übersandtes Diplom der Akademie der Künste vorfand, in dem diese ihn zu ihrem Mitglied ernannte.

Sommer 1912 besucht Pasternak Deutschland nochmals, er begleitet seine Frau, der die Ärzte eine Kur in Kissingen verordnet haben.

Die tragischen geschichtlichen Ereignisse - Weltkrieg, Revolution und Bürgerkrieg - machten das Arbeiten in Russland immer schwieriger. Die sechsköpfige Familie bewohnte eine Fünfzimmer-Dienstwohnung (von der Schule) in der Wolchonka. Zunächst mussten sie die Familie Ustinow aufnehmen, für die zwei Zimmer freigemacht wurden. Im Frühjahr 1921 wurde Leonid P. vom Volkskommissariat für Bildung aufgefordert, die Wohnung umgehend zu räumen. Dank Fürsprache Lunatscharkis wurde nichts daraus. „Leonid Pasternak steht definitiv unter dem Schutz der Sowjetregierung, und Versuche, ihm sein Atelier zu nehmen, sind unstatthaft.” Rosalia Isidorownas Stenokardie verschlimmerte sich, und bei Leonid P. ließ die Sehkraft nach. Die Wohnungsepisode veranlasste sie, Lunatscharski zu bitten, ihnen für ein, zwei Jahre eine Reise nach Deutschland zwecks Behandlung zu ermöglichen. Die Söhne Boris und Alexander blieben in Moskau, in der eng gewordenen Wohnung in der Wolchanka, wo sich noch viele Arbeiten des Vaters befanden.

Der Künstler war nahezu 60 Jahre alt. Das Leben in Deutschland, das den Krieg verloren hatte und eine rasende Inflation durchmachte, wo das Geld in Millionen und Milliarden gezählt wurde, war sehr schwer. Berlin war damals Zentrum der russischen Emigration. (Leonid P. begegnete hier u. a. Prokofjew und Ilja Ehrenburg.)

Die Berliner Kunst hatte es schwer. Leonid P. hatte unter der harten Konkurrenz der deutschen Künstler zu leiden, denn er war unbekannt und sah sich nun in die Lage eines Anfängers versetzt.

„Von den ersten Tagen meines zeitweiligen Aufenthalts in Berlin begann ich angestrengt zu arbeiten - hauptsächlich Porträts und einiges an Grafik (Autolitographie, Radierung)."

„Ich malte mit Inbrunst, frei, mutig, ohne es dem Publikum oder der Pressekritik recht machen zu wollen.“

Die Töchter besuchten die Universität (Josephina die Philosophische Fakultät, Lidia die Naturwissenschaftliche /Chemie/). Trotz der Schwierigkeiten war Leonid anfangs voller Hoffnung. An die Söhne schrieb er 1921: „Gott verlässt mich nicht bei der tagtäglichen Arbeit. Mein... Mein Optimismus sagt mir ein weiteres Mal, dass alles in Ordnung kommt... Ja, und zwar durch Ausdauer und Willenskraft.“

Nach der Abreise von Sohn und Schwiegertochter (1923) kommen Leonid P. trübsinnige Gedanken. Ihn bedrückten die Verteuerung des Lebens, die Abwertung der Mark.

„In punkto Verdienst' ist es hier jetzt wie bei Euch, man braucht keine Kunst. Alle wollen nach Amerika, auch ich weise den Gedanken nicht von mir und bereite mich darauf vor.“

Eine Abwanderung russischer Emigranten setzte ein. „Die Valuta besitzenden Russen verlassen Berlin in Scharen, fahren nach Paris und anderswohin“, schreibt der Vater an Borja.

Jedoch der Gesundheitszustand seiner Frau und das Studium der Töchter an der Universität erlauben keinen Ortswechsel.
Mitte der 20er Jahre können Pasternaks Lebensverhältnisse wieder als geregelt gelten. Er nimmt an internationalen Ausstellungen in Berlin, Den Haag und New York teil.

1924 unternimmt er eine sechswöchige Reise nach Palästina, von wo er viele Naturskizzen mitbringt.

„Ich habe keine Sekunde versäumt, war viel unterwegs, habe gezeichnet... In der Schnelligkeit der Skizzen habe ich alle übertrumpft, der Fotograf hat gepasst.“

Immer öfter widmet Leonid P. sich der literarischen Arbeit. 1923 erscheint in Berlin sein Buch „Rembrandt und das Judentum in seinem Schaffen". Er schreibt Erinnerungen (an Tolstoi, Polenow, an N. F. Fjodorow deutsch). Nach Palästina bringt er seine Reiseeindrücke zu Papier. Er schreibt kurze Aufsätze. Als Teil seines literarischen Werks kann man auch die zahlreichen Briefe Leonid Pasternaks an die Söhne, P. D. Ettinger, R. M. Rilke betrachten.

Brief an Boris und Alexander vom Oktober 1923


„ ... Wir leben offenbar in einer unerhört grauenhaften Zeit, wo das, was man sich in den deutschen ... Märchen gar nicht recht vorstellen konnte, Wirklichkeit ist und das Märchen sogar noch übertrifft - doch wozu Dir das erzählen - Du hast in Deinem letzten Brief selber die Tragik Deutschlands erwähnt. War es denn vorstellbar, wie ein vor kurzem noch so mächtiges Land von Stunde zu Stunde dahinsiecht und die Dämmerang, die sich über das Jahrhundert senkt, das einstige geistige Potential des Volkes in tiefe Finsternis stürzt. Hier wird schon nach Billionen gerechnet, wo noch vor kurzem Mark und Pfennige galten! ... Die Deutschen waren noch nie so verzweifelt - sie hofften, in einem Jahr, in zwei, drei wird alles vorbei sein... Aber jetzt, nein, nirgendwo ist Hoffnung! ... Für Dutzende Jahre und länger... Wollen wir hoffen, dass im nächsten Jahrhundert uns besser gehen wird (im Orig. deutsch), tröstete sich ein Deutscher gestern.“


„Vielleicht braucht überhaupt jetzt niemand mehr Kunst?" (An Ettinger im Juli 1925.)
Doch er arbeitet weiter, steht nach seinen Worten weiter „auf der Brücke”.

Besonders frachtbar war für ihn das Jahr 1927. Er stellt die in Moskau verloren gegangene litografierte Zeichnung „Beethoven" wieder her („habe wie ein Zuchthäusler gearbeitet, mich so strapaziert, dass ich nachts nicht schlafen konnte“.)
Zu Beethovens 100. Todestag brachte „Die Deutsche Illustrierte“ (im März 1927) diese Zeichnung als insgesamt beste bildliche Darstellung Beethovens auf der Umschlagseite. Außerdem fertigt Leonid P. die Bleistiftzeichnung „Einstein auf der Geige spielend“.

In der Hoffnung, die pessimistischen Stimmungen zu überwinden, die ihn zeitweilig überkamen, und in dem Wunsch, eine gewisse Bilanz des bisher Geschaffenen zu ziehen, eine Schau seines Werks zu veranstalten und zu sehen, ob es dem Betrachter gefällt, beschließt Leonid P., eine Personalausstellung seiner Arbeiten in Berlin zu zeigen. Dazu wählte er einen der besten und progressivsten Kunstsalons (den Salon Viktor Hartbergs). In dieser Personalausstellung, der ersten im Leben des Künstlers, wurden 54 in verschiedenen Techniken ausgeführte Arbeiten gezeigt.

Darunter Werke, die Russland gewidmet waren: die Serie „L. N. Tolstoi", Porträts russischer Künstler - Rachmaninow, Schaljapin, Remisow, B.Pasternak. Mehr als 10 Sujets aus Malerei und Grafik erinnerten an die Reise nach Palästina. Der umfangreichste Ausstellungsteil war Deutschland: Zeichnungen von Berliner Genreszenen, Porträts deutscher Künstler und Wissenschaftler.

An die Söhne schreibt er nach Moskau:
„ ... Mein Erfolg ist, Gott sei Dank, umwerfend und übertrifft alle Erwartungen ... und vieles ist verkauft.
Alle Zeitungen drucken beste Kritiken, es werden noch Reproduktionen in illustrierten Beilagen erscheinen ... Mein Entrepreneur Hartberg ist zufrieden mit dieser ,Ernte', dabei - wie unsicher war ich mir, ob ich überhaupt ausstellen sollte, wie wenig Vertrauen hatte ich zu der Sache - ich war doch ein Fremder, Unbekannter, und er stellt nur Bekannte und Jüngere aus...

... Mein Harnack (der Theologe und Historiker Adolf Harnack) wurde für das Kaiser- Wilhelm-Institut in Dahlem erworben.
Und dann machte mein Corinth ein Furore, dass alle mir zu der Kritik von diesem Stahl gratulierten...

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L. Pasternak: Loris Korint. 1923
Loris Korint

„Man muß wissen, dass das die hiesige allerseits anerkannte Autorität ist, absolut unbestechlich, äußerst streng, der Schrecken der Künstler - und ich hatte am meisten ihn gefürchtet, die Ausstellung deshalb verschoben; er wird dich verreißen, dachte ich, dann kannst du deine Koffer packen... Ich habe den Misserfolg objektiv nicht gefürchtet, denn ich fühle mich weitaus stärker als alle hiesigen ,Autoritäten', meine Malerei ist, besonders in den letzten Jahren, stärker geworden, von der Zeichnung ganz zu schweigen! Aber geh und erkläre das, wenn ich der ,Neuling' bin! Denn nach diesen Rezensionen kamen sie, mich anzuschauen - was ich denn für einer sei. Die Berliner gehen - anders als bei uns - mit der Zeitung in der Hand in die Ausstellungen, und irgendein Stahl oder Osborn sind die Autoritäten, und auf einmal schreibt so ein Stahl: ,Ich habe in meinem ganzen langen Leben kein solches zeitgenössisches Porträt gesehen wie den Corinth von Pasternak.'" Tatsächlich liefert Stahl eine detaillierte Analyse der Vorzüge des Porträts.

„Dieses Bild", schreibt er abschließend, „muß neben Corinths letzten Werken hängen, denn es erklärt diese besser, als es dem Wort gegeben ist. Dieses Bild zeigt, dass der Künstler Pasternak einer jener geborenen Porträtisten ist, die heute so unwahrscheinlich selten sind.“

Ein anderer Kritiker, Osborn, schrieb, Pasternaks Porträts hätten „blendenden Erfolg".

Nach der Ausstellung erlebt Leonid Pasternak einen künstlerischen Höhenflug. Er stellt neue Porträts fertig: Eins von Gerhart Hauptmann (1930); eins von Kasimir Fayance, Physiker und Chemiker, Professor der Münchener Universität; eins vom Historiker und Philosophen Ernesto Podignola.
Er entwirft die Kompositionen „Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn- Bartholdy", „Bach und Friedrich der Große".
Zu seinem Werk gehören auch bayrische Landschaften, da er in München die Sommermonate bei seiner Tochter Josephina verbrachte, die ihren Cousin Fjodor Karlowitsch Pasternak geheiratet hatte (1924), einen der Direktoren der Bayerischen Bank. Im Münchener Haus der beiden, das geräumige Zimmer hatte, brachte Leonid P. viele seiner besten Arbeiten unter.

„Ich arbeite nach wie vor viel (für die künftige Ausstellung weitere Ausstellung, „um die 70 Jahre meines Lebens und Schaffens zu vollenden“.), Arbeit ist das einzige sichere Mittel, sich in Form zu halten“, schreibt er an seinen Sohn Boris.

Die zweite Personalausstellung in der Galerie Hartberg war abermals ein Riesenerfolg. Alle waren besonders von dem hier gezeigten Porträt Rainer Maria Rilkes beeindruckt. „Nicht allein die seltene Begegnung mit einer Darstellung des Dichters fesselt uns an diesem Bild", schrieb ein Kritiker, „sondern dass Pasternak darin Wesentliches erfaßt: den feinnervigen, träumerischen deutschen Dichter, in dem eine kaum angedeutete überirdische Sehnsucht glüht, während im Hintergrund im betonten Kontrast zum Bild des Dichters die Kraft und die Farben einer russischen Stadt leuchten".

Im gleichen Jahr erscheint die Monographie „Leonid Pasternak" von Max Osborn, Kenner der russischen Kunst und langjähriger Verehrer Pasternaks. Sie enthielt 150 Illustrationen in schwarzweiß und in Farbe, Leonid Pasternaks Lebenserinnerungen und Erinnerungen an Begegnungen mit Tolstoi, Corinth und Rilke.

Der Sohn schreibt an den Vater: „Du schreibst erstaunlich gut, ich habe Deine autobiographischen Notizen in einem Zug gelesen... Von den unbekannten Arbeiten hat mir am besten das Porträt von Einstein gefallen, dann kommen Liebermann und Hauptmann. Besondere Bedeutung darüber hinaus hat für mich das Rilke-Porträt.“

Und weiter schreibt er: „Nach einer langen Pause habe ich mir Deine Monographie nochmals angesehen und bekam plötzlich Deine volle Ladung direkt ins Gesicht... Ich an Deiner Stelle, mit solchem Leben hinter mir, wäre im siebenten Himmel... Welch ein Leben, welch eine Hand, was für Begegnungen und Erinnerungen!“

Leonid Pasternak schickte die Monographie Albert Einstein, und dieser antwortete: „Herzlichen Dank für das wunderbare Buch. Ihre Porträts begeistern mich mehr als irgendein Künstler der Gegenwart, ihr Wesenszug ist lebendige Gestaltung von Individualität!“

Ein Teil der Auflage der Monographie wurde von den Faschisten vernichtet.

Der erstarkte Faschismus erschwerte den weiteren Aufenthalt Pasternaks in Berlin. Wie alle Künstler nichtarischer Abstammung wurde er davon in Kenntnis gesetzt, dass ihm, „der die arischen Ideen nicht gestalten" könne, jegliches Malen verboten sei. (Vgl. aber die Beethoven-Lithographie auf dem Umschlag der „Deutschen Illustrierten".)

„Ich malte trotzdem weiter - das die zweite Natur des Künstlers ist.“ Er machte sich Sorgen darüber, was aus seinen Bildern, Zeichnungen und Skizzen werden sollte. „Sie müssten in ein Museum." Sie zu verkaufen oder in Berliner Museen unterzubringen verbot die „Kritische Zeit".

Die Gedanken an Abreise werden immer dringlicher.

Schon seit Ende 1937 lagen Leonid Pasternaks Bilder, Zeichnungen und Aquarelle, in Paketen und Kisten verpackt, in der sowjetischen Ständigen Vertretung. Aber die Offiziellen hatten es nicht eilig. Da nimmt der Künstler, als Person jüdischer Nationalität und sowjetischer Staatsbürger von der gewaltsamen Ausweisung aus Deutschland bedroht, seine Arbeiten und schickt sie nach England.

Im Sommer 1938 siedelten Leonid Pasternak und R. I. Pasternak, seine Frau, nach London über. Wenig später kam Josephina mit ihrer Familie nach. Leonid Pasternak übersiedelt nach Oxford, wo er, ohne noch einmal auszureisen, bis zu seinem Tod am 31. Mai 1945 lebt.

Übersetzung aus dem Russischen: Erich Ahrndt
Die Zitate aus dem „Schutzbrief' sind der Übersetzung von Elke Erb entnommen.





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