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Читающий Лейпциг

Neue Begegnungen mit dem Schriftsteller Jurij Poljakow

Автор: Svetlana Voljskaia
Добавлено: 2013-09-12 21:04:23

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Unter den Schriftstellern, die Russland in diesem Jahr (2009) auf der Leipziger Buchmesse repräsentierten, war der zeitgenössische Klassiker der russischen Literatur Juri Poljakow nicht zu übersehen. Seine Prosa ist in Schul- und Studienbüchern zu finden, seine Texte wurden in etliche Sprachen übersetzt.

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Jurij Poljakow. Wkimedia.org
Jurij Poljakow

Auf Deutsch erschienen sind unter anderem die Erzählungen Poljakows „Apofegej“ und „Die Rückkehr des verlorenen Ehemanns“. Die deutschen Leser haben Poljakow bereits in ihr Herz geschlossen. Die russischsprachige Leserschaft, darunter auch viele Leipziger, warten gespannt auf jede neue Veröffentlichung Poljakows und jede neue Begegnung mit dem russischen Staatsmann (Poljakow ist Mitglied vieler Bürgervereinigungen), berühmten Journalisten und Chefredakteur der „Literaturnaja Gazeta“. Ihrer Meinung nach, ist dieser Schriftsteller nicht nur ein echter Meister, sondern auch der lebende Beweis für das Zitat von E. Evtuschenko, dass der Dichter in Russland viel mehr ist als nur ein Dichter.

Ein Treffen mit Juri Poljakow fand im März diesen Jahres in der Stadtbibliothek Leipzig statt. Im Laufe des Gesprächs wurden dem Literat „brennende“ Fragen gestellt: zur gegenwärtigen russischen Politik, zu den neuen Büchern der Lieblingsautoren, und dazu, was die kulturelle Elite Russlands davon hält. Viele fragten nach der Position der „Literaturnaja Gazeta“ in Bezug auf das Werk von russischen Auswanderern und Künstlern. Manch einer interessierte sich dafür, was jetzt in Theatern und Kinos von Moskau läuft.

Der Gefeierte beeindruckte alle Gäste durch die Vielfalt der Facetten seiner beruflichen Betätigungen. Auf die Frage, wie es ihm gelingt, Literatur und Journalistik mit dem Chefredakteursposten in der Literaturnaja Gazeta und seinem sozialen Engagement zu vereinbaren, hat er geantwortet: „Ein Schriftsteller kann nicht immer nur schreiben“. Er brauche Beobachtungen und Lebenserfahrungen, er müsse mitten im Leben stehen und eine aktive Position beziehen.

Alle, die den Werdegang des Literaten mitverfolgt haben, bewundern an Poljakow zwei Eigenschaften: seine spitze Feder und seine Zivilcourage. Als Journalist und in seinen literarischen Texten sprach er genau das an und aus, was konsequent verschwiegen wurde: das Mobbing in der Armee („100 Tage vor der Entlassung“), das geheime Leben der Komsomol - Funktionäre (“Ein außerordentlicher Zwischenfall“) und die Auswirkungen der Perestrojka auf die Psyche des Individuums („Ich dachte an Flucht“).

Viele wissen, dass Poljakow 2006 den viel diskutierten Bestseller „Das Leben zu dritt“ („Treugol´naja zižn´“) veröffentlichte. In diesem Band sind drei Romane untergebracht: „Ich dachte an Flucht“, „Die Rückkehr des verlorenen Ehemanns“ und „Der Pilzzar“.

In den drei Texten geht es um die sogenannte „Midlifecrises“. Im Zentrum stehen gewöhnliche, allgemein bekannte Fragen, die das Leben aufwirft: Warum verlassen Ehemänner ihre Frauen? Wie gewinnt man sie zurück und was geschieht heutzutage mit der Institution Ehe?

Diese Probleme ließen die begeisterten Poljakow-Leser nicht kalt, die sich am 18. April in einem gemütlichen Gasthof in Leipzig zur ersten Sitzung des „Literaturcafés“ versammelten.

Poljakow liest sich mit viel Vergnügen. Bei dem Roman „Ich dachte an Flucht“ handelt es sich um eine moderne Familiensage, die dreißig Jahre aus dem Leben der Hauptfigur, Oleg Baschmakow, umfasst. Baschmakow ist ein ziemlich sympathischer, aber schwacher und unentschlossener Mensch, sowohl im gesellschaftlichen als auch im privaten Leben. Er kann weder seine Frau für seine Geliebte verlassen noch umgekehrt. Griesgrämig lebt er in den Tag hinein und am Ende des Romans bleibt er, den beiden ihn liebenden Frauen zu entkommen suchend, wortwörtlich zwischen Himmel und Erde hängen, …

Im Zentrum der Erzählung „Die Rückkehr des verlorenen Ehemanns“ steht die Dreiecksbeziehung zwischen Alexander Kaljazin, seiner Frau und seiner Geliebten und Sekretärin. Zu den Akteuren zählt auch die Fernseh-Talkshow „Familiäre Katastrophen“, mit deren Hilfe es, trotz aller naiven Schauspielerei, gelingt, den Mann seiner rechtmäßigen Ehefrau zurückzugeben.

Im Roman „Der Pilzzar“ zeichnet Poljakow das Porträt eines erfolgreichen Geschäftsmanns. Michail Swirelnikow ist ein echter „Held unserer Zeit“. Der Autor beschreibt ihn so: „Meine Figur gehört zu meiner Generation. Er ist so alt wie ich, hat ungefähr meine Lebenserfahrungen und meine Bildung…“

Im Roman werden im Stile des "assoziativen Bewußtseinsstroms" unzählige Rückbezüge zu in der Vergangenheit liegenden Ereignissen hergestellt. Swirelnikow erinnert sich an etwas, sieht Bilder seiner Kindheit und Jugend. Das trägt viel zum Realismus des Romans bei und weckt Sympathie für die Hauptfigur Swirelnikow, obwohl der, wenngleich oft in guter Absicht, geschäftlich und privat freimütig Gesetze und Moral verletzt.

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Die gemütliche Gaststätte «Zur Tenne» im Leipziger Osten
Foto: Alexandra Omeltschenko
Die gemütliche Gaststätte «Zur Tenne»

Er fühlt sich im trüben Meer des Moskauer Geschäftslebens wie ein Fisch im Wasser, erlebt aber in seinem Privatleben keine guten Zeiten. Denn er hat sich in ein Lügennetz verstrickt. In seinem Leben nehmen drei Frauen einen gleichwertigen Platz ein: seine Ehefrau, die gemeinsame Tochter und eine ihrer Freundinnen, seine Geliebte. Am Ende des Romans ist er für allerhand kriminelle Taten reif.

Nicht alle Gäste des „Literaturcafés“ konnten die Romane Poljakows lesen, weil zwei der großartigen Texte („Ich dachte an Flucht“ und „Der Pilzzar“) noch nicht in deutscher Übersetzung erschienen sind.

Das waren die Fragen eines Interviews der bekannten russischen Journalistin Natalia Barabasch („Poljakow verrät die Geheimnisse des Mannes“), die den lebhaften Meinungsaustausch im Literaturcafé zum aktuellen Problem (Midlifecrises in den Romanen und Erzählungen Poljakows) ermöglichten. Die Position des Autors stimmte natürlich nicht immer mit den Meinungen der Diskussionsteilnehmer überein.

1. - Juri, die Probleme mit den Männern rund um die fünfzig, die sie in ihren Romanen beschreiben, haben viel Ähnlichkeit mit den Geschichten, die wir regelmäßig im Kreis der Freundinnen besprechen. Erklären Sie bitte, was passiert mit Männern in diesem Alter, warum können sie sich zwischen Ehefrau und Liebhaberin nicht wirklich entscheiden, warum sind sie bereit, alles, sogar das, was gut und glücklich war, hinzuwerfen, um einen riskanten Neuanfang zu wagen?

Teilnehmer: Die Ehe verliert mit der Zeit an Frische und Attraktivität für die beiden Eheleute, sie langweilen sich, wünschen sich eine neue Liebe.

Poljakow: „Wenn zwei junge, intelligente, attraktive Menschen, die viel gemeinsam haben, im Alter von fünfundzwanzig eine Ehe eingehen, stellen sie oft mit fünfundvierzig fest, dass sie sich auseinander gelebt haben und nicht mehr zusammenpassen. Ich denke dabei an meine Bekannten, Politiker, Geschäftsleute, prominente Schauspieler und Schriftsteller. Nur sehr wenige von ihnen leben noch in erster Ehe. Und zur Trennung kommt es immer zwischen dem vierzigsten und dem fünfzigsten Lebensjahr.

Für manche hat die physische Seite der Ehe Priorität, für die anderen spielt die Verwandtschaft der Seelen eine größere Rolle. Für die Seelenverwandten ist eine gleichaltrige Frau keine Katastrophe, für andere aber ist es ein grausames Gefühl festzustellen, dass die Frau des Geschäftpartners genauso alt bzw. jung ist, wie die eigene Tochter. In diesem Fall ist es egal, wie sich die Ehefrau bemüht, es ist um sie bereits geschehen. Es sind harte Zeiten und sie sind umso härter, je weniger Alltagsprobleme wir Menschen haben“.

2. - Ist die Frau, die ihren Mann stimuliert, mehr zu verdienen, Karriere zu machen, selbst Schuld daran, dass die Ehe in die Brüche geht? Ist die Trennung in diesem Fall vorprogrammiert?

Teilnehmer: Das scheint richtig zu sein. Aber es ist nicht der Hauptgrund für die Trennung.

Poljakow: „Der Mann im „besten Alter“; wenn er Erfolg genießt, kann sich alles leisten. Ich kenne Leute, die plötzlich leidenschaftlich mit solchem Kinderspielzeug zu spielen beginnen, wie Jachten, Villen, Autos… Und dabei muss er sich mit dem muffigen Familienleben zufrieden geben, das er als eine Erbschaft aus den Zeiten empfindet, als er noch nichts hatte. Da ergibt sich eine große Dissonanz, denn die Frau, die neben ihm ist, passt nicht mehr in sein Leben.

…Wenn sie sich die Statistik der Auftragsmorde ansehen, stellen sie fest, dass ein Viertel davon in Verbindung mit Besitzrechten steht. Das erste, wozu erfahrene Anwälte ihren Scheidungskandidaten raten, ist die Suche nach einem Bodyguard. Einige Probleme lassen sich leichter mit Hilfe eines Killers lösen, als mit der eines Rechtsanwalts. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass man im zweiten Fall nur die Hälfte des Vermögens bekommt…“

3. - Was würden Sie einer Frau raten? Wie kann sie ihren Mann dazu bringen, in der Familie zu bleiben?

Teilnehmer: Nichts. Sie sollte ihn in Ruhe gehen lassen.

Poljakow: Das ist in jeder Familie unterschiedlich. Ich weiß nur eins: man kann keinen die Flucht ergreifenden Ehemann aufhalten, indem man sich an ihn klammert. Wenn sich auch noch die Ehefrau an den Hals des üblicherweise von akuter Atemnot geplagten Ehemanns hängt, fühlt sich das ziemlich unangenehm an. Was zu tun ist, muss die Frau selbst wissen. Der eine braucht übertriebene Schmeicheleien, ein anderer ist für demonstrative Kälte anfällig, den nächsten muss man wie ein kleines Kind behandeln, oder viel Interesse an seiner Arbeit zeigen. Aber von so viel Mühe wird auch die Frau müde. Nach dreißig Ehejahren plötzlich einen Vulkan voller Leidenschaft zu spielen oder übermäßiges Interesse für die Firma des Ehemanns „Diäthühnereier“ aufzubringen, kann einem mächtig aus dem Halse heraushängen. Sollte die Ehefrau diese Zeit jedoch wider Erwarten ruhig bzw. mehr oder weniger gelassen überstehen, erhält sie zur Belohnung ihren reueerfüllten und dankbaren Ehemann zurück, der ihr gern auch die Hausschuhe hinterher trägt. In der Regel werden die wieder bekehrten Männer ungewöhnlich großzügig und nachgiebig. Dann kann man mit ihnen alles machen, was man will: "Bis der Tod Euch scheidet."

4. - Meinen Sie, dass die Ehe, als Institution, heute nicht mehr so viel Gewicht in unserer Gesellschaft hat?

Teilnehmer: Es gab in Deutschland schon viel Diskussion über die Ehe, aber derzeit gewinnt die Familie immer mehr an Bedeutung.

Poljakow: Ja, die Ehe befindet sich in einer Krise. Möglicherweise hat es damit zu tun, dass die Rolle des Mannes in der Familie sich verändert. Es gibt keine Jäger und Sammler mehr. Wenn sich die Gesellschaft jetzt vielleicht nicht sogar auf das Matriarchat zurückbewegt, so bildet sich doch eine neue Struktur heraus, die auf einem Gleichgewicht zwischen dem Patriarchat und dem Matriarchat basiert. Wer weiß, in welche Richtung der Homo sapiens mutiert.

In Europa hat die Ehe einen Kultstatus. Die Menschen, die eine Ehe schließen, sind viel älter als in Russland. In diesem Alter wird nicht unter dem Einfluss von Emotionen gehandelt, sondern man sieht die Ehe als ein mehr oder weniger lukratives Geschäft an. Außerdem sind die Gesetze härter und man hat im Falle einer Scheidung mehr zu verlieren. Aber auch dort ist das Problem der gewollten Einsamkeit groß. Viele Frauen brauchen heute keinen Ehemann mehr. Sie entscheiden sich für zwei Kinder, die außerhalb der Ehe geboren werden. Die staatliche Unterstützung reicht aus, um sie allein großzuziehen. Wir sind in einer Krise der Monogamie angekommen, ungeachtet aller Zivilisierung.

Das ist nicht die erste Krise, in die die Ehe gerät. Vielleicht kommt sie auch diesmal glimpflich davon. In welcher Form das passiert, keine Ahnung. Es ist, natürlich, kein Zufall, dass dieses Thema mich immer wieder findet. Ein Schriftsteller ist der Sklave der Zeit, der Bleistift in ihren Händen. Das bedeutet, es laufen da wirklich irgendwelche Prozesse ab.

5. - Haben Sie selbst schon eine Ehekrise durchgemacht?

Teilnehmer: Ja, in der einer oder anderen Art schon.

Poljakow: Natürlich. Das war für mich als Mann schwer, aber für die Schriftstellerei sehr produktiv.

6. - …Alle Fluchtversuche ihrer Figuren missglücken. Ist das eine naturgegebene Gesetzmäßigkeit?

Teilnehmer: Nein, das ist in jeder Familie anders. Es ist durchaus möglich, dass die neue Partnerschaft glücklich verläuft. Es kann auch sein, dass die geschiedenen Eheleute nach einiger Zeit wieder zueinanderfinden.

Poljakow: Es gibt Ausnahmen, aber der Logik nach, muss diese neue Ehe unglücklich sein. Denn beide wollen voneinander profitieren. Ja, man hat sich von der alten, unnütz gewordenen, Ehe befreit, aber auch von ihrer Uneigennützlichkeit. In die neue Partnerschaft nimmt man sozusagen ein altes Sofa mit allen Kakerlaken mit und entdeckt an der neuen Frau dieselben Fehler.


Die Diskussion im „Literaturcafe“ warf viele Fragen auf. Vor allem zeigte sie, dass die in den Romanen Poljakows angesprochenen Probleme hochaktuell sind. Die kulturellen und individuellen Unterschiede liegen nur in Art und Weise, wie man sich damit auseinandersetzt. Bemerkenswert, dass die Leipzigerinnen Ehescheidungen weniger dramatisch sehen, als die weiblichen Figuren Poljakows. Ist es womöglich ein mentaler Unterschied? Eine Russin sucht in ihrem Mann immer noch weniger einen Partner, als vielmehr Schutz und Halt, seelisch und auch finanziell.

Außerdem ist es interessant, dass das russischsprachige Auditorium, anders als das deutsche, meint, dass Poljakow problemlos den Journalisten und den Prosaiker in einer schriftstellerischen Persönlichkeit vereint. Beide Tätigkeiten stören sich aneinander nicht. Die Journalistik lenkt Poljakow nicht etwa von den ewigen Fragen ab. Vielmehr verleiht die journalistische Ader seiner Prosa einen Beigeschmack von Aktualität und Brisanz.

Was auf alle Fälle feststeht, es wird gerade ein neuer Roman von Poljakow gedruckt, „Der Gips-Trompeter“. Die Leser sind auf eine neue Begegnung mit dem beliebten Schriftsteller gespannt.

Übersetzung: Olga Koseniuk





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